«Wir halten fest, dass Fotografen […] in der Eidgenossenschaft nicht zum Nulltarif tätig werden. Selbiges dürfte auch für Rechtsanwälte gelten […].»
Das Zitat stammt aus der Korrespondenz mit einer deutschen Abmahn-Anwaltskanzlei.
Unsere schweizerische Mandantschaft war kostenpflichtig abgemahnt worden. Sie soll Bildmaterial, an dem die Agentur Image Professionals, ehemals StockFood, die Rechte beansprucht, unberechtigt bei Facebook veröffentlicht haben.
Was die deutsche Gegenanwaltskanzlei «festhält», ist klärungsbedürftig:
- Die meisten Fotografinnen in der Schweiz fotografieren und veröffentlichen ihre Bilder tatsächlich zum Nulltarif. (Ich gehöre auch dazu.) Bilder haben grossmehrheitlich keinen wirtschaftlichen Wert oder die Fotografen haben kein wirtschaftliches Interesse.
- Jene Fotografinnen in der Schweiz, die nicht zum Nulltarif arbeiten, werden mehrheitlich für einzelne Aufträge bezahlt. Nur wenige Fotografen können Bilder an oder über Agenturen verkaufen.
- Bisweilen wird auf die SAB-Preisempfehlungen für Bildmaterial verwiesen. Dabei handelt es sich, wie der Name sagt, ausdrücklich um Empfehlungen für Bild-Agenturen und Bild-Archive in der Schweiz. Sie dienen erklärtermassen als Informations- und Orientierungshilfe für jene, die vertraglich ein Honorar vereinbaren möchten, besagen aber nicht, dass jedes Bild einen wirtschaftlichen Wert hat.
- Für Rechtsanwälte hatte die deutsche Abmahn-Anwaltskanzlei ergänzt, dass «die Kosten der Inanspruchnahme» – gemeint sind die Anwaltskosten – «bei deliktsrechtlichen Ansprüchen natürlich von dem Verletzer zu tragen» seien. In der Schweiz gilt «natürlich» das Gegenteil, denn wer einen Rechtsanwalt beauftragt, eine Gegenpartei wegen einer mutmasslichen Urheberrechtsverletzung abzumahnen, muss die Kosten dafür selbst tragen.
- Insofern mahnen Rechtsanwältinnen in der Schweiz normalerweise tatsächlich nicht zum Nulltarif («pro bono») ab, sondern werden von ihrer Mandantschaft bezahlt. Die Kosten können nicht der abgemahnten Gegenpartei auferlegt werden.
Bei den Massenabmahnungen von Image Professionals fallen immer wieder hohe Geldforderungen auf.
Im vorliegenden Fall sollte allein die Bildverwendung bei Facebook während 88 (sic!) Monaten rund 2’600 Euro plus weitere 2’600 Euro Verletzerzuschlag kosten.
Dabei ist offensichtlich, dass das Bild für die Verwendung bei Facebook niemals für 2’600 Euro lizenziert worden wäre. Gleichzeitig wird kaum jemand einen solchen Geldbetrag ohne Weiteres bezahlen können oder wollen.
Die Bildagentur Keystone-SDA hingegen fordert bei ihren Abmahnungen mit Hilfe von PicRights fast immer einen pauschalen Geldbetrag von einigen hundert Franken.
Keystone-SDA setzt gegenüber Abgemahnten damit einen Anreiz, solche Abmahnungen – allenfalls mit einem «Rabatt» – zu bezahlen. Für Abgemahnte lohnt es sich Widerstand gegen eine solche Abmahnung finanziell gesehen normalerweise nicht, selbst wenn Zweifel an ihrer Berechtigung bestehen.