Luftaufnahmen vom Zürichseeufer: «Weitgehende Einblicke in Wohn- und Schlafzimmer»

Foto: Zürichseeufer in Küsnacht ZH aus der LuftDie Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich hat ihren Tätigkeitsbericht 2021 veröffentlicht. Ein Fall erinnert mich an den Streisand-Effekt …

Der Streisand-Effekt geht auf die Schauspielerin Barbra Streisand zurück:

«2003 verklagte Barbra Streisand den Fotografen Kenneth Adelman und Pictopia.com erfolglos auf Zahlung von 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz mit der Begründung, auf einer der dort veröffentlichten 12.000 Luftaufnahmen der Küste Kaliforniens, die die Küstenerosion dokumentierten, sei ihr Haus zu sehen. Das war bis dahin nicht bekannt, doch nachdem Streisands Klage die Verbindung zwischen dem Foto und ihrem Anwesen hergestellt hatte, verbreitete sich das bis dahin unwichtige Foto lawinenartig im Internet.»

Allgemein formuliert:

«Als Streisand-Effekt wird das soziologische Phänomen bezeichnet, wenn der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, das Gegenteil erreicht, indem das ungeschickte Vorgehen eine öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, die das Interesse an der Verbreitung der Information deutlich steigert.»

Zürichseeufer: «Weit­gehende Einblicke in Wohn- und Schlafzimmer»

An den Streisand-Effekt erinnert mich ein Fall im Tätigkeitsbericht 2021, bei dem es ebenfalls um Luftaufnahmen einer Küste und die Privatsphäre geht:

«Im Frühjahr 2021 fragte das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) die Datenschutzbeauftragte, ob die Aufschaltung der Schrägluftbilder im GIS-Browser aus datenschutzrechtlicher Sicht unproblematisch sei. Mit den Schrägluftbildern der Seeufer des Zürichsees sollen allfällige Veränderungen an der Seeuferlinie erkannt werden. Die Bilder waren zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Wochen im GIS-Browser aufgeschaltet und so im Internet frei zugänglich.»

Und:

«Bei der stichprobeweisen Überprüfung stellte die Datenschutzbeauftragte fest, dass die hochauflösenden Bilder weitgehende Einblicke in Wohn- und Schlafzimmer, in Wintergärten sowie auf Balkone und Terrassen ermöglichten. Auch wenn auf den Bildern keine Personen identifiziert werden konnten, ermöglichte die hohe Auflösung der Bilder Einblicke in private Räume und damit in Grundrisse und Raumnutzungen der Liegenschaften. »

Rechtsgrundlage ≠ Recht zur Datenbearbeitung

Im Kanton Zürich musste allerdings keine prominente Person, wie sie an der Goldküste am Zürichsee häufig zu finden sind, klagen, sondern die Datenschutzbeauftragte schob der Veröffentlichung im Internet einen Riegel:

«Die Datenschutzbeauftragte wies darauf hin, dass dies einen Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Personen darstellt. Für das Zugänglichmachen der Bilder über einen Downloaddienst ist zwar eine Rechtsgrundlage vorhanden. Eine Rechtsgrundlage gibt aber noch nicht das Recht zu einer Datenbearbeitung.»

Und:

«Eine Datenbearbeitung durch öffentliche Organe muss immer auch verhältnismässig sein. Sie muss geeignet und nötig sein, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Kann der Zweck auch mit weniger weitgehenden Massnahmen erreicht werden, sind diese zu wählen.»

Und schliesslich:

«Im vorliegenden Fall dienten die Bilder einem verwaltungsinternen Zweck. Verwaltungsmitarbeitende sollen damit Veränderungen der Seeuferlinie erkennen und allfällige Massnahmen ergreifen können. Dafür müssen die Daten nur ihnen zur Verfügung stehen. Eine Veröffentlichung im Internet erwies sich als unverhältnismässig. Die zuständige Verwaltungsabteilung veranlasste darauf, dass die Schrägluftbilder nur noch verwaltungsintern zur Verfügung stehen.»

In einer aktuellen Folge der Datenschutz-Plaudereien hatten Andreas Von Gunten und ich Gelegenheit, das Thema zu vertiefen:

Siehe auch: Urteil: Google Street View kollidiert mit dem Datenschutz.

Bild: GIS-Browser des Kantons Zürich.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.