Vor einigen Tagen liess mir die nette Mitarbeiterin einer Gerichtskanzlei ausrichten, meine Eingabe mittels elektronischem Rechtsverkehr (ERV) sei ohne PDF-Datei angekommen. Was war passiert?
Eingaben an schweizerische Behörden auf elektronischem Weg sind fehleranfällig. Man muss über 60 einzelne Schritte ausführen.
Aber hatte ich wirklich vergessen, die PDF-Datei zu senden?
Schweiz: Wie funktioniert elektronischer Rechtsverkehr?
Elektronischer Rechtsverkehr in der Schweiz bedeutet, dass man Eingaben als PDF-Dateien über IncaMail oder PrivaSphere an Gerichte, Staatsanwaltschaften und einige weitere Behörden schickt.
Die PDF-Dateien müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden. Ein Dienst für das Signieren ist beispielsweise das kostenpflichtige Skribble. Die Gültigkeit der Signatur kann mit validator.ch geprüft werden.
IncaMail und PrivaSphere sind «anerkannte Zustellplattformen». Nur diese kostenpflichtigen Plattformen können für den ERV verwendet werden. IncaMail ist ein Angebot der Schweizerischen Post
Bei den Zustellplattformen handelt es sich um – aus Nutzersicht einfache – E-Mail-Systeme, auf die man in erster Linie per Browser zugreift. PDF-Dateien werden an E-Mails angehängt, das heisst als Attachments verschickt.
Die Datenmenge pro E-Mail sollte 10 MB in der Regel nicht überschreiten. Das führt zum Kuriosum, dass Daten jenseits solcher Kleinstmengen auf Datenträgern per Briefpost verschickt werden müssen.
Fehler: Wieso wurde die Eingabe ohne PDF-Datei verschickt?
Ja, ich hatte die Eingabe tatsächlich ohne PDF-Datei verschickt, obwohl ich die PDF-Datei ursprünglich an die E-Mail angehängt hatte. Was war passiert?
IncaMail, die verwendete Zustell-Plattform hält folgende «Attachment-Falle» bereit:
Wenn man ein Attachment an eine E-Mail anhängt und danach den E-Mail-Empfänger im Teilnehmerverzeichnis auswählt, wird das Attachment bei der Rückkehr zur E-Mail still entfernt.
Man muss in diesem Fall das Attachment nochmals anhängen (und vorher natürlich bemerken, dass das Attachment entfernt wurde).
Wenn man den Fehler nicht rechtzeitig selbst bemerkt oder rechtzeitig darauf hingewiesen wird sowie die Eingabe mit PDF-Datei wiederholt, riskiert man, eine allfällige Frist zu verpassen.
IncaMail: Wie funktioniert die «Attachment-Falle»?
Nachfolgend zeige ich Schritt für Schritt mit einem Beispiel, wie die «Attachment-Falle» bei IncaMail funktioniert.
- Schritt 1: Nach dem Login bei IncaMail hänge ich eine PDF-Datei an die neue E-Mail an.
- Schritt 2: Ich verwende den Dateinamen als Betreff, klicke auf «Einschreiben», wie es für den ERV erforderlich ist, und werde gefragt, ob ich den Empfänger im Teilnehmerverzeichnis suchen möchte. (Ja!)
- Schritt 3: Ich suche und finde die Empfängerin, in diesem Fall eine kantonale Staatsanwaltschaft.
- Schritt 4: Ich wähle die kantonale Staatsanwaltschaft als «Empfänger» aus und klicke auf «Zurück zur Nachricht».
- Ergebnis: Die E-Mail-Adresse ist eingefügt, aber die angehängte PDF-Datei ist weg.
Und nein, das liegt nicht daran, dass die PDF-Datei im Namen «Gericht» und nicht «Staatsanwaltschaft» enthält.
Fazit: Eigener Fehler, Verbesserungsmöglichkeiten bei IncaMail
Ja, ich hätte das fehlende Attachment bemerken können (und müssen).
IncaMail allerdings hätte die angehängte PDF-Datei 1) nicht still entfernen sollen. Und IncaMail könnte 2) beim ERV vor dem Versand nachfragen, ob ausnahmsweise tatsächlich kein Attachment mitgeschickt werden soll.
Immerhin wirbt die Schweizerische Post für IncaMail mit dem Slogan «Einfach, sicher, datenschutzkonform».