Geheimdienst: Keine Fichen über Parlamentarier, bloss administrativ abgelegte Unterlagen

Bild: Lachender Clown (Malerei)

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) «sammelt […] in grossem Umfang Daten über Organisationen, Parteien und Politiker*innen» in der Schweiz. Darüber wollte der Bundesrat zuerst keine Auskunft geben. Nun bestreitet der Bundesrat sogar, dass Parlamentarier überhaupt fichiert werden.

Im Einzelnen:

«Rechtswidrige Fichen von […] Parlaments­mit­gliedern»?

Nationalrätin Marionna Schlatter hatte den Bundesrat ursprünglich gefragt, wie viele Einträge bzw. Fichen der NDB, der grösste bekannte Geheimdienst in der Schweiz, unter anderem über Parlamentarier erstellt hatte:

«[…] wurde nun bekannt, dass auch bundeshausanwesende Parteien in den NDB-Verzeichnissen registriert sind: In den sicherheitsrelevanten Datenbanken des NDB fanden sich 112 Einträge zur Grünen Partei und 35 zu deren Parteipräsident Balthasar Glättli. Ob es in den NDB-Systemen auch Daten von anderen Parteien gibt, ist bisher nicht bekannt. Alle per Freitextsuche auffindbaren Daten gelten gemäss GPDel als ‹personenbezogen erschlossen› (‹Fiche›) und fallen unter die Bearbeitungsschranke gemäss Artikel 5 NDG (Jahresbericht 2019, GPDel, S. 3045-3046)

Art. 5 Abs. 5 NDG lautet wie folgt:

«[Der NDB] beschafft und bearbeitet keine Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit in der Schweiz.»

Gefragt hatte Schlatter unter anderem:

«Wie viele Einträge sind per 1. Juni 2022 über die hier anwesenden Mitglieder des Parlaments in den Registern des NDB via Freitextsuche auffindbar?»

Auf diese Interpellation 22.3763 hatte der Bundesrat im Wesentlichen geantwortet, die Berichte des NDB über seine Datenbestände seien «VERTRAULICH klassifiziert».

Ausserdem habe der NDB in «infolge der berechtigten Kritik verschiedene Optimierungsmassnahmen ergriffen» sowie in den Jahren 2020 und 2021 «über 3 Millionen Datensätze gelöscht».

«Fichierte Mitglieder der Bundes­ver­sammlung»?

In einer Fragestunde hakte Schlatter kürzlich beim Bundesrat nach (Frage 22.7687), insbesondere:

«In der Antwort […] verweigert der Bundesrat die Antwort zur Anzahl von Einträgen von Mitgliedern der Bundesversammlung in den Datenbanken des Nachrichtendienstes mit Verweis auf Vertraulichkeit.»

Und:

«Weshalb besteht kein Recht auf Auskunft, zumal die Frage aus der gesetzgebenden Instanz kommt und sich auf ihre eigenen Mitglieder bezieht, und es sich um eine rein statistische Auskunft handelt?»

Der Bundesrat bestritt in seiner Antwort kategorisch, dass Parlamentarier fichiert werden:

«Der Bundesrat betont in aller Deutlichkeit, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) keineswegs Mitglieder der Bundesversammlung ‹fichiert›.»

Es könne aber vorkommen, dass Unterlagen, die Namen von Parlamentariern enthalten, administrativ abgelegt würden:

«Es kann aber vorkommen, dass der NDB im Rahmen seiner administrativen Aufgaben – zum Beispiel bei der Bearbeitung parlamentarischer Anfragen – Unterlagen in seinen Systemen ablegt, die Namen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern enthalten.»

Die Person, welche diese Antwort für den Bundesrat verfasste, mutmasslich beim Geheimdienst, fand es vermutlich lustig, ausgerechnet die Nicht-Fichierung aufgrund von parlamentarischen Anfragen als Beispiel zu nennen.

Und schliesslich könne es vorkommen, dass Parlamentarier «Kontakt mit einer nachrichtendienstlich aufgeklärten Person» hätten.

Allerdings sei mangels Statistik gar nicht bekannt, wieviele Parlamentarier – wie auch immer – fichiert (oder eben nicht fichiert) seien:

«[…] führt der NDB keine spezifische Statistik zur Anzahl Personen aus bestimmten Berufsgruppen, über welche Informationen in seinen Systemen abgelegt sind.»

Aber keine Sorge, so der Bundesrat weiter, die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) als Aufsichtsbehörde unter anderem über den Geheimdienst habe «uneingeschränkte Einsicht in die Datensammlungen des NDB» sowie erhalte «regelmässig allgemeine Angaben und Statistiken».

In der GPDel sitzen sechs National- und Ständeräte, die neben ihren sonstigen vielen Tätigkeiten unter anderem den Geheimdienst überwachen sollen.

Und, so schliesslich der Bundesrat:

«Darüber hinaus kann jede Person jederzeit ein Auskunftsgesuch über die eigenen Daten an den NDB stellen.»

Siehe auch: Neues Nachrichtendienstgesetz: Jeder ist verdächtig und wird überwacht (Steiger Legal).

Bild: Pixabay / jackmac34, Public Domain-ähnlich.

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