Notrecht ohne Transparenz: Öffentlichkeitsprinzip gilt nicht für Abwicklung der Credit Suisse

Foto: Bundeshaus in Bern (Nahaufnahme mit Fenster und Statue)

Für den Versuch einer geordneten Abwicklung der Grossbank Credit Suisse setzt der Bundesrat auf Notrecht. Transparenz ist dabei nicht erwünscht, denn das Öffentlichkeitsprinzip wird ausgehebelt.

Die Konsumentenzeitschrift «Beobachter» hatte das Eidgenössische Finanzdepartment (EFD) um Zugang zu amtlichen Dokumenten im Zusammenhang mit den aktuellen Vorgängen rund um die Grossbank Credit Suisse gebeten.

Der Zugang wurde, wie der «Beobachter» schreibt, vom EFD mit der Verweis auf Art. 6 Abs. 3 der Credit Suisse-Notverordnung verweigert:

«Der Zugang nach dem Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 zu diesen Informationen und Daten ist ausgeschlossen.»

Gemäss Abs. 1 und 2 dieses Art. 6 sind folgende Informationen und Daten gemeint:

«Das EFD, die FINMA und die Nationalbank tauschen nicht öffentlich verfügbare Informationen aus, die namentlich im Zusammenhang mit der Gewährung, Verwaltung, Überwachung und der Abwicklung von Liquiditätshilfe-Darlehen und Ausfallgarantien notwendig sind.»

Und:

«Die Behörden nach Absatz 1, zuzüglich der Eidgenössischen Finanzkontrolle, sowie die für den Vollzug dieser Verordnung beigezogenen Dritten dürfen Personendaten und andere Informationen bearbeiten, verknüpfen und untereinander bekanntgeben, soweit dies für den Vollzug dieser Verordnung, namentlich für die Gewährung, die Verwaltung, die Überwachung und die Abwicklung von Liquiditätshilfe-Darlehen und von Sicherheiten oder für die Marktbeobachtung notwendig ist.»

(Die amtliche und vollständige Bezeichnung der Credit Suisse-Notverordnung lautet «Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken».)

Notrecht: Keine Transparenz, kein Vertrauen in die Behörden

Ich halte es für einen Fehler, die Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes absolut und pauschal auszuschliessen.

Mit dem Öffentlichkeitsprinzip soll Vertrauen geschaffen werden. Vertrauen in Staat und Behörden bedingt, dass deren Handeln erklärbar und nachvollziehbar erfolgt. Behörden, welche sich der Transparenz verweigern, verdienen kein Vertrauen.

Solches Vertrauen wäre besonders wichtig, wenn die üblichen demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren durch Notrecht ausser Kraft gesetzt werden. In diesem Fall müssten Bürgerinnen und Bürger sowie Medien und Politik besonders genau hinschauen können.

Die Begründung im erläuternden Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartments (EFD) ist nicht überzeugend, sondern stellt im Gegenteil eine direkte Ablehnung von Vertrauen durch Transparenz gemäss dem Öffentlichkeitsprinzip dar:

«Es ist unbestritten, dass Transparenz bezüglich des staatlichen Handelns wichtig und notwendig ist. Diese ist mit dem vorliegenden Artikel nicht ausgeschlossen, sondern kann anderweitig hergestellt werden, indem wichtige Erkenntnisse, Eckwerte und Rahmenbedingungen in geeigneter Form offengelegt werden. Der Öffentlichkeit können damit die relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden, die der Beurteilung der Bundesunterstützung dienen und die unter Wahrung der Geheimhaltungsvorschriften öffentlich zugänglich gemacht werden können, ohne dass Rückschlüsse auf die Interna der betroffenen SIB möglich sind.»

Gemäss dem Öffentlichkeitsprinzip sind amtliche Dokumente grundsätzlich öffentlich. Es sollen gerade nicht Behörden selbst entscheiden, was sie als «wichtig» erachten und «in geeigneter Form» offenlegen.

Bedenklich ist, wenn das EFD in seinem erläuternden Bericht ferner schreibt, das Öffentlichkeitsgesetz dürfe nicht anwendbar sein, damit die Behörden von der betroffenen SIB – gemeint ist die Credit Suisse als «Systemically Import Bank» – überhaupt die benötigten Informationen erhalten:

«Die Bestimmung soll sicherstellen, dass die zuständigen Verwaltungseinheiten von der betroffenen
SIB alle relevanten Informationen für den Vollzug der Verordnung vollständig und zeitnah erhalten. Müsste die betroffene SIB befürchten, dass die Verwaltungseinheiten Zugang zu den zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen gewähren müssen, könnte dies dazu führen, dass sie diese Informationen nicht, unvollständig oder mit grosser zeitlicher Verzögerung zur Verfügung stellen würde.»

Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) fallen von Anfang an nicht unter das Öffentlichkeitsgesetz (Art. 2 Abs. 2 BGÖ). Wie das Beispiel der Credit Suisse zeigt, gibt solche Geheimhaltung keine Gewähr für eine funktionierende Regulierung durch FINMA und SNB.

Es ist klar, dass nicht immer alle amtlichen Dokumente per sofort öffentlich werden können. Es kann berechtigte Gründe geben, die Bekanntgabe erst einmal zu verweigern.

Aus diesem Grund sieht das Öffentlichkeitsgesetz zahlreiche Ausnahmen vor, die das Öffentlichkeitsprinzip relativieren (Art. 7 BGÖ). Auf solche Ausnahmen könnte sich das Eidgenössische Finanzdepartment voraussichtlich auch in der vorliegenden Angelegenheit berufen.

Das EFD müsstet allerdings gemäss Öffentlichkeitsgesetz den verweigerten Zugang begründen, es könnte ein Schlichtungsverfahren mit Empfehlung des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) stattfinden und es wäre eine gerichtliche Überprüfung möglich.

Art. 2 Abs. 3 BGÖ zum persönlichen Geltungsbereich sieht vor, dass der Bundesrat «weitere Einheiten der Bundesverwaltung sowie weitere Organisationen und Personen, die nicht der Bundesverwaltung angehören, vom Geltungsbereich ausnehmen» kann, zum Beispiel «wenn dies für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist» (lit. a). Mit der Credit Suisse-Notverordnung wird aber nicht der persönliche Geltungsbereich, sondern der sachliche Geltungsbereich eingeschränkt. Der entsprechende Art. 3 BGÖ räumt dem Bundesrat keine entsprechende Kompetenz ein, weshalb die Notverordnung nur auf Notrecht gemäss Art. 184 Abs. 3 u. Art. 185 Abs. 3 BV verweist, nicht aber auf das BGÖ.

Viele Behörden haben keine Lust auf Öffentlichkeit und Transparenz. Transparenz ist unerwünscht, denn hinter verschlossenen Türen fällt Inkompetenz erst einmal nicht auf und niemand muss steht in der Verantwortung.

Der «Beobachter» hat in seinem Beitrag über den «intransparenten CS-Deal» angekündigt, trotz nicht anwendbarem Öffentlichkeitsgesetz an den EDÖB zu gelangen. Ich bin neugierig, wie die EDÖB-Empfehlung lauten wird.

Im erwähnten «Beobachter»-Beitrag komme ich zu Wort. Meine vollständige Stellungnahme, die ich auf Anfrage dem «Beobachter» abgegeben hatte, lautete wie folgt:

«Mit dem Öffentlichkeitsprinzip soll Vertrauen durch Transparenz geschaffen werden. Vertrauen in Staat und Behörden ist nur möglich, wenn deren Handeln erklärbar und nachvollziehbar erfolgt.

Ansonsten stellt sich sofort die Frage: Was haben Staat und Behörden aus welchen Gründen zu verbergen?

Mit Blick auf die historische und weitreichende Bedeutung der Vorgänge rund um die Credit Suisse bedaure ich, dass die notrechtliche Verordnung die Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes absolut und pauschal ausschliesst. Gerade wenn Notrecht angewendet wird, ist Vertrauen durch Transparenz besonders wichtig. Wenn schon keine direkte oder indirekte demokratische Mitbestimmung möglich ist, weil die Zeit gedrängt hat, sollten mindestens nachträglich soviel Transparenz wie möglich geschaffen werden.

Gleichzeitig halte ich den Ausschluss nicht für erforderlich, denn das Öffentlichkeitsgesetz bietet den Behörden durch Ausnahmen viele Möglichkeiten, den Zugang zu amtlichen Dokumenten einzuschränken, aufzuschieben oder zu verweigern. Solche Ausnahmen müssen aber begründet werden und können unabhängig rechtlich geprüft werden. Wieso möchten sich die Behörden solche Begründungen und eine solche unabhängige rechtliche Überprüfung ersparen? Die entsprechenden Mechanismen haben sich aus meiner Sicht bewährt, insbesondere das Schlichtungsverfahren beim EDÖB.

Die Frage sollte nicht sein, ob Transparenz geschaffen wird, sondern wann und wie. Ich hoffe, dass sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier für Transparenz in der vorliegenden Angelegenheit einsetzen, sofern die Behörden nicht doch noch selbst erkennen, dass es ein Fehler ist, in der vorliegenden Angelegenheit das Öffentlichkeitsprinzip auszuhebeln. Es würde genügen, den einschlägigen Absatz 3 in Artikel 6 der Notverordnung ersatzlos zu streichen. Schliesslich ist daran zu denken, dass Behörden auch von sich aus Transparenz schaffen können. Es ist nicht erforderlich, auf Gesuche gemäss Öffentlichkeitsgesetz zu warten. Dort, wo es den eigenen Zielen dient, zögern Behörden jeweils nicht, mit viel Aufwand an die Öffentlichkeit zu gehen.»

Bild: Pixabay / pasja1000, Public Domain-ähnlich.

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