Dr. Torsten Schröer: 650 Euro für die Illustration einer analogen Uhr?

Bild: Illustration einer analogen Uhr mit der Aufschrift «Sprechstunde»
Bild: Adobe Stock / Markus Gann.

Wer Bilder auf Social Media-Plattformen und Websites veröffentlicht, muss in der Schweiz auch in diesem Jahr mit Abmahnungen und Geldforderungen aus Deutschland rechnen. Seit Jahren im Geschäft ist Dr. Torsten Schröer mit seiner Bildagentur «Blickwinkel».

Bei Schröer besteht die Besonderheit, dass er – soweit ersichtlich – erst einmal immer versucht, selbst zu Geld zu kommen. So spart sich Schröer die Kosten für die Mandatierung von Abmahnanwälten wie Frommer Legal oder Fuß & Jankord.

In einer aktuellen Angelegenheit forderte Schröer für die angebliche Verwendung einer Illustration bei Facebook während weniger als einem Monat eine Zahlung von 650 Euro als «nachträgliche Nutzungsgebühr».

Die Illustration zeigt den Ausschnitt aus einer analogen Uhr mit der Aufschrift «Sprechstunde» und stammt nach Angaben von Schröer von einem Fotografen namens Markus Gann.

Dr. Torsten Schröer: Geldforderung mit Zuckerbrot und Peitsche

Für den Fall, dass nicht bezahlt wird, drohte Schröer damit, «den Fall recht schnell an ein Anwaltsbüro weiter[zu]leiten» und kündigte Gesamtkosten von rund 3’200 Euro einschliesslich Schadenersatz an:

«Für die (einfache!) Nutzung auf einer einfachen Webseite fordern wir dann den üblichen Schadensersatz in Höhe von 250,00€ pro Monat Socialmedia-Nutzung zzgl. 100% für die unterlassene Nennung des korrekten Urhebers plus Anwaltshonorar (beide Seiten durch den extrem hohen pauschalen Streitwert im Urheberrecht ca. 700,00€, das entspricht also ca. 3.200,00€ Gesamtkosten in Ihrem Fall).»

Schröer versuchte, die Angeschriebenen mit kurzen Fristen von jeweils wenigen Tagen unter Druck zu setzen, erwähnte als «Zückerchen» aber auch einen angeblichen steuerlichen Vorteil bei einer direkten Zahlung:

«Schadensersatzzahlungen können im Gegensatz zu einer nachträglichen Nutzungsgebühr u. W. steuerlich nicht geltend gemacht werden.»

Für Schröer ist es wichtig, die Angeschriebenen unter Druck zu setzen, denn wer die Forderungen überprüft, stösst – wie so häufig bei Abmahnungen und Geldforderungen aus Deutschland –  auf Ungereimtheiten.

Geldforderung: Zahlung von 650 Euro trotz wirtschaftlichem Wert nahe Null?

Schröer forderte insbesondere viel zu viel Geld. Nach unserer Intervention reduzierte Schröer seine Forderung «im Sinne einer schnellen Erledigung des Falles» von 650 Euro auf 450 Euro, was aber immer noch viel zu viel ist.

Screenshot: Angebot für Illustration mit analoger Uhr bei «Adobe Stock» (2. April 2023)

Wie sich einfach herausfinden lässt, hat die Illustration mit der analogen Uhr keinen oder fast keinen wirtschaftlichen Wert.

Bei «Adobe Stock» ist die Illustration von Markus Gann mit einer Suche nach «sprechstunde» auf Anhieb zu finden (Datei-Nummer 70379358).

Mit einer «Standardlizenz» im «Probe-Abo» kostet die Illustration gar nichts. Die Lizenz gilt auch, wenn das «Probe-Abo» gekündigt wird.

Mit einer «Standardlizenz» darf die Illustration für «unbegrenzt viele Web-, Social-, E-Mail- und mobile Zugriffe» genutzt werden. Die «Erweiterte Lizenz» würde für eine Print-Auflage von mehr als 500’000 Exemplaren oder für die Verwendung auf Handelsartikeln benötigt.

Screenshot: Abonnements bei «Adobe Stock» (2. April 2023)

Wer «Adobe Stock» über das «Probe-Abo» hinaus nutzen möchte, zahlt 33 Franken netto für bis zu «10 Standard-Stockmedien pro Monat». Wer die Illustration erst in diesem Rahmen lizenzieren würde, müsste demnach insgesamt zwischen 3.30 und 33 Franken netto für die unbeschränkte Verwendung im digitalen Raum bezahlen.

Zur Erinnerung: Schröer forderte für eine angebliche Verwendung von weniger als einen Monat bei Facebook zuerst eine «nachträgliche Nutzungsgebühr» von 650 Euro und dann von 450 Euro. Auch behauptete Schröer einen «üblichen Schadenersatz in Höhe von 250.00€ pro Monat» allein für «Socialmedia-Nutzung».

In Tat und Wahrheit handelt es sich bei der Illustration mit der analogen Uhr um Massenware mit einem wirtschaftlichen Wert gleich Null oder nahe Null.

Wer diese wirtschaftliche Realität kennt, kann zum Ergebnis gelangen, dass die Forderung von Torsten Schröer wucherähnlich ist. Wer zu diesem Ergebnis gelangt und einer solchen Zahlungsaufforderung dennoch Folge leistet, muss sich fragen, ob nicht ein Strafverfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158 StGB droht.

Unklar ist, wieso Markus Gann seine Illustration über «Adobe Stock» und «Blickwinkel» anbietet oder anbieten lässt. Gemäss einem Vertrag, den Schröer vorgelegt hat, erhielt «Blickwinkel» von Gann «sämtliche Nutzungsrecht» übertragen. Auch ist «Blickwinkel» berechtigt, «Dritten einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte in beschränktem oder unbeschränktem Umfang einzuräumen».

Klar ist hingegen, dass die Illustration von Markus Gann nicht einen wesentlich höheren wirtschaftlichen Wert oder überhaupt einen wirtschaftlichen Wert hat, bloss weil die Vermarktung über «Blickwinkel» erfolgt.

Empfehlungen: So reagiert man richtig auf Abmahnungen und Geldforderungen aus Deutschland

Bei Abmahnungen und Geldforderungen aus Deutschland für die (angebliche) Bild-Verwendung auf Social Media-Plattformen und Websites ist es wichtig, von Anfang an richtig zu reagieren:

  1. Ruhe bewahren: E-Mails und Schreiben sollten nicht ohne Weiteres beantwortet und Zahlungen nicht ohne Weiteres geleistet werden, auch nicht bei kurzen Fristen. Es handelt sich nicht um gesetzliche Fristen. Abmahner und andere Absender setzen darauf, die Angeschriebenen unter Druck setzen zu können. Häufig wird zuerst Auskunft und nicht direkt Geld gefordert, wodurch sich Angeschriebene in falscher Sicherheit wägen.
  2. Möglichen Schaden in Grenzen halten: Unabhängig von der Rechtslage sollte das umstrittene Bildmaterial vorsorglich und vollständig gelöscht werden, nachdem die Verwendung dokumentiert wurde. Die Dokumentation besteht aus zwei Schritten: Zuerst wird das Bildmaterial als Datei(en) gespeichert und danach die Verwendung mit Screenshot(s) dokumentiert.
  3. Forderungen sorgfältig prüfen: Es hilft nicht, Forderungen von Abmahnanwälten und anderen Absendern zu ignorieren. Nur eine sorgfältige Prüfung erlaubt, über das bestmögliche weitere Vorgehen entscheiden zu können. Bei solchen Forderungen gibt es fast immer rechtlichen und sachlichen Spielraum, um die Forderungen ganz oder teilweise abzuwehren.
  4. Bei Bedarf rechtzeitig Unterstützung suchen: Wer keine Erfahrung und kein Fachwissen im Zusammenhang mit Abmahnungen und Geldforderungen aus Deutschland hat, riskiert folgenreiche Fehler. Wir beraten deshalb immer wieder Betroffene in der Schweiz. Es hilft, wenn wir von Anfang an dabei sind und nicht erst, wenn eine Angelegenheit eskaliert ist.

Siehe auch: Frommer Legal überzieht die Schweiz mit Facebook-Abmahnungen.

2 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.