Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen: Neuer Anlauf in der Schweiz noch vor dem Sommer?

Das geplante Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen in der Schweiz verzögert sich weiter. Das federführende Institut für Geistiges Eigentum (IGE) und die Medienunternehmen scheinen sich hinter den Kulissen nicht einig zu werden.

Die Vernehmlassung hätte im Dezember 2022 starten sollen, wurde dann aber auf März 2023 verschoben, ohne dass der Entwurf veröffentlicht worden wäre. Seit letzter Woche heisst es, die Vernehmlassung sei für Mai 2023 geplant:

«Änderung des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

Behörde: Bundesrat

Mit der Teilrevision soll eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass die grossen Internetplattformen die Schweizer Medienunternehmen für die Nutzung ihrer Inhalte entschädigen.

Eröffnung geplant: 05.2023
Abschluss geplant: 08.2023

Betroffene SR Nummer(n): 231.1

Federführendes Amt: Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum

Letzte Aktualisierung: 24. April 2023»

Inzwischen ist eine weitere Verzögerung denkbar. An den «Swiss Press Awards 2023» erklärte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in einer Rede zur Pressefreiheit, das «Projekt» erst «vor dem Sommer» vorzustellen (Übersetzung aus dem Französischen):

«Die schwierige wirtschaftliche Situation, mit der Journalisten und Verleger konfrontiert sind, hat auch Auswirkungen auf die Pressefreiheit. Zu diesem Thema wird mein Departement vor dem Sommer ein Projekt vorstellen, das darauf abzielt, ein Nachbarrecht zugunsten von journalistischen Medien einzuführen. Im Anschluss an die Behandlung im Bundesrat wird dieses Projekt zur Konsultation geschickt. Die Giganten des Internets, die Geld mit Inhalten verdienen, die von anderen produziert wurden, müssen die Arbeit von Journalisten und Verlegern vergüten. Ich kann und will jedoch nicht zu viel versprechen: Dieses Projekt wird allein die strukturellen wirtschaftlichen Probleme der Branche nicht lösen. Die Debatte im Parlament wird anspruchsvoll, aber auch spannend werden.»

«Künstliche Intelligenz»: Panik bei den grossen Medien­unternehmen?

Wie man aus Medienkreisen hört, haben die Verzögerungen in erster Linie den Grund, dass man nicht weiss, wie auf «künstliche Intelligenz» reagiert werden soll.

Einerseits werden grosse Sprachmodelle (Large Language Models, LLM) wie GPT mit Medieninhalten trainiert, andererseits setzen die grossen Medienunternehmen immer stärker auf algorithmisch generierte Inhalte.

Das Ausprobieren von ChatGPT soll bei einigen Verlegern regelrecht Panik ausgelöst haben. Auch scheinen sich das federführende Institut für Geistiges Eigentum (IGE), das die Vorlage betreut, und die grossen Medienunternehmen hinter den Kulissen nicht einig zu werden. Bereits ein «Mediendialog» beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) unter Ausschluss der Öffentlichkeit war gescheitert.

Ein wesentliches Problem bleibt unabhängig davon, dass ausländische Online-Dienste letztlich nicht zu Zahlungen gezwungen werden können. In Deutschland forderten die grossen Medienunternehmen 420 Millionen Euro von Google pro Jahr, konnten bislang aber nur 5,8 Millionen Euro durchsetzen. Ob die ursprüngliche Forderung als Anker für Verhandlungen gedacht oder tatsächlich ernst gemeint war, ist unklar.

Ferner wehren sich die Medienunternehmen dagegen, dass der Erhalt der neuen Subventionen mit verbindlichen Anforderungen an die Qualität ihrer Inhalte verknüpft wird. Letztlich ist das Geschäft der Massenmedien nicht «Qualitätsjournalismus», sondern die Monetarisierung von Aufmerksamkeit durch Inhalte, die möglichst viel Anklang finden – unabhängig von der inhaltlichen Qualität.

Gleichzeitig sieht man bei den Medienunternehmen die Chance, mit dem neuen Leistungsschutzrecht auch finanzielle Forderungen gegenüber OpenAI und anderen KI-Anbieterinnen zu ermöglichen. Direkt oder indirekt handelt es sich um amerikanische Tech-Konzerne wie Google, Meta und Microsoft, von denen man sich bereits vor der neuen Relevanz von «künstlicher Intelligenz» erhebliche Zahlungen erhofft hatte.

Medienunternehmen: Lobbying für «Link-Steuer» mit bezahlter Studie

In der Sache ist das geplante Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen in der Schweiz diskreditiert.

Prof. Ernst Fehr von der Universität Zürich ramponierte seinen Ruf mit einer bezahlten Studie für den Verband Schweizer Medien, wonach allein Google den «Schweizer Medien 154 Millionen Franken schulden» soll. Fehr, «einer der meist zitierten Ökonomen der Welt», hatte die Studie mit seiner «FehrAdvice» verfasst.

Adrienne Fichter veröffentlichte eine «kritische Analyse der Fehr-Studie zur Link-Steuer» und schrieb unter anderem:

«In dieser Studie wurden Äpfel mit Birnen mit Pflaumen verglichen. Sie ist inkonsistent in der Argumentation. Sie beruht auf fragwürdigen Annahmen mit denen noch fragwürdigere finanzielle Ansprüche abgeleitet worden sind.»

«FehrAdvice» veröffentlichte folgende Dokumente zur Auftragsarbeit für den Verband Schweizer Medien:

Weitere Quellen zum geplanten Leistungsschutzrecht in der Schweiz

Bild: Pixabay / Pexels, Public Domain-ähnlich.

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