Zoom und künstliche Intelligenz: Anpassung der AGB sorgt nachträglich für Aufregung

Bild: Auswertung von Video-Konferenz-Daten mittels künstlicher Intelligenz (AI-generiert)

Zoom sorgt einige Monate nach einer Anpassung der Terms of Service für Aufregung. Gemäss einer Anpassung per 31. März 2023 stimmen Nutzer pauschal der Verwendung der «vom Dienst generierten Daten» unter anderem für den Zweck «des maschinellen Lernens oder der künstlichen Intelligenz» ausdrücklich zu.

In den deutschsprachigen Nutzungsbedingungen von Zoom lautet die Bestimmung in der einschlägigen Ziff. 10.2 betreffend «Vom Dienst generierte Daten, Zustimmung zur Nutzung» unter anderem wie folgt:

«Zu den Kundeninhalten zählen keine Telemetriedaten, Produktnutzungsdaten, Diagnosedaten und ähnliche Inhalte oder Daten, die Zoom in Verbindung mit Ihrer Nutzung bzw. der Nutzung der Dienste oder Software durch Ihre Endbenutzer erhebt oder generiert (‹vom Dienst generierte Daten›).»

Und:

«Im Verhältnis zwischen Ihnen und Zoom liegen alle Rechte, Besitzansprüche und Anteile an den vom Dienst generierten Daten sowie alle Eigentumsrechte daran ausschließlich bei Zoom. Sie stimmen zu, dass Zoom auf Grundlage der Kundeninhalte und Nutzung der Dienste sowie der Software die vom Dienst generierten Daten zusammenstellt und zusammenstellen kann.«

Und weiter (mit Hervorhebungen):

«Sie erklären sich damit einverstanden, dass Zoom auf die vom Dienst generierten Daten zu jedem beliebigen Zweck zugreift, sie nutzt, erhebt, erstellt, verändert, verteilt, verarbeitet, weitergibt, pflegt und speichert, soweit dies nach geltendem Recht zulässig ist, einschließlich zum Zweck der Produkt- und Dienstentwicklung, des Marketings, der Analysen, der Qualitätssicherung, des maschinellen Lernens oder der künstlichen Intelligenz (einschließlich zum Zweck der Schulung und Abstimmung von Algorithmen und Modellen), der Schulung, des Testens, der Verbesserung der Dienste, Software oder anderer Produkte, Dienste und Software von Zoom oder einer beliebigen Kombination davon, und wie anderweitig in dieser Vereinbarung vorgesehen. […]»

Eine vergleichbare Bestimmung findet sich in Ziff. 10.4 betreffend «Gewährung von Kundenlizenzen».

Wieso die Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erst jetzt für Aufregung sorgt, ist unklar.

Zoom: Erste Stellungnahme durch Chief Operating Officer Aparna Bawa

Aparna Bawa, Chief Operating Officer von Zoom, nahm heute bei Hacker News wie folgt Stellung:

«Thank you for your care and concern for our customers – we are grateful for the opportunity to double click on how we treat customer content. To clarify, Zoom customers decide whether to enable generative AI features (recently launched on a free trial basis) and separately whether to share customer content with Zoom for product improvement purposes. Also, Zoom participants receive an in-meeting notice or a Chat Compose pop-up when these features are enabled through our UI, and they will definitely know their data may be used for product improvement purposes.»

Zoom verweist demnach auf KI-Funktionen, die im Frühjahr 2023 angekündigt und inzwischen teilweise eingeführt wurden. Dazu passt die Anpassung der ToS per 31. März 2023. Zoom hatte damals die ToS vollständig überarbeitet.

Auf eine kritische Nachfrage hin erklärte Bawa, neue Nutzer müssten diese Funktionen selbst aktivieren:

«[…] this is opt in. A new user starting to use Zoom today does not have this turned on by default.»

Unklar bleibt, wieso Zoom diese Einwilligung pauschal in die AGB schreibt anstatt im Einzelfall zu fragen. Aparna Bawa äusserte sich auch nicht zu bisherigen Nutzern von Zoom.

Ich gehe davon aus, dass Zoom aufgrund der aktuellen Aufregung die AGB anpassen oder mindestens eine offizielle Klarstellung veröffentlichen wird.

(Auch via STACK DIARY.)


Nachtrag: Zoom veröffentlicht Klarstellung

Die erwarte Klarstellung von Zoom wurde inzwischen veröffentlicht. Chief Product Officer Smita Hashim schreibt unter anderem:

«To reiterate: we do not use audio, video, or chat content for training our models without customer consent.»

Und auch:

«Zoom account owners and administrators control whether to enable these AI features for their accounts.»


Nachtrag II: Zoom passt Nutzungsbedingungen rückwirkend an

Zoom hat die Nutzungsbedingungen inzwischen rückwirkend per 7. August 2023 wie folgt ergänzt:

«Ungeachtet des zuvor Genannten verwendet Zoom Kundeninhalte wie Audio-, Video- oder Chatdateien zum Trainieren von KI-Modellen nur dann, wenn Sie damit einverstanden sind.»

Die Ergänzung ist Teil von Ziff. 10.4. Man kann sich insofern fragen, ob die Ergänzung auch für Ziff. 10.2 gilt, wo es ebenfalls um künstliche Intelligenz geht.

Die Ergänzung ist ausserdem überspezifisch, denn die umstrittenen AGB-Bestimmungen beschränken sich nicht auf das «Trainieren von KI-Modellen», sondern umfassen die Verwendung für «maschinelles Lernens oder […] künstlichen Intelligenz (einschließlich zum Zweck der Schulung und Abstimmung von Algorithmen und Modellen)». Die Ergänzung wirkt übereilt und unsorgfältig. Wer aufgrund der ursprünglichen AGB-Anpassungen Bedenken hatte, wird sich dadurch nicht beruhigen lassen.

Eric S. Yuan, CEO und Gründer von Zoom, äusserte sich inzwischen auch und sprach unter anderem von einem internen «Process Failure»:

«I want to set the record straight.

1. It is my fundamental belief that any company that leverages customer content to train its AI without customer consent will be out of business overnight.

2. Given Zoom’s value of care and transparency, we would absolutely never train AI models with customers› content without getting their explicit consent. If you use our two new generative AI features that have been available on free trial for two months, you can see in the UI that we definitely ask customers if they want to opt-in to share content to improve our products and train our AI models.

3. Then why did we make a ToS change in March 2023?

We had a process failure internally that we will fix. Period. Let me be crystal clear – for AI, we do NOT use audio, video, screen share, or chat content for training our AI models without customer explicit consent.»

Die Stellungnahme lässt Fragen offen. So ging es nicht um Nutzerdaten, sondern um Nutzungsdaten. Viele Anbieter verwenden solche Daten, um ihre KI-Modelle zu trainieren, ohne darüber zu sprechen.

Der interne «Process Failure» dürfte in erster Linie die Fehlentscheidung gewesen sein, im Rahmen der überarbeiteten AGB per 31. März 2023 mit einer Einwilligung arbeiten zu wollen, um scheinbar auf Nummer sicher zu gehen.

Andere Anbieter stellen sich auf den Standpunkt, für die Verwendung von Nutzungsdaten für das Training von KI-Modellen keine Einwilligung der Nutzer zu benötigen. Das Beispiel zeigt, dass man mit einer Einwilligung häufig gerade nicht auf Nummer sicher geht.

Immerhin ist es tatsächlich möglich, die neuen KI-basierten Funktionen zu verwenden, ohne Nutzerdaten mit Zoom zu teilen, wie die Zoom-Einstellungen zeigen. Beim Aktivieren kann man das vorausgewählte Teilen abwählen …

Screenshot: Zoom-Einstellungen für «Meeting Summary with Zoom IQ»

… und die Einstellung kann nachträglich angepasst werden:

Screenshot: Zoom-Einstellungen für «Meeting Summary with Zoom IQ»

Ein erhebliches Problem bleibt, dass Zoom die AGB jederzeit anpassen kann, ohne die Nutzer über die Anpassungen informieren zu müssen.

In Ziff. 15.1 der Nutzungsbedingungen heisst es unter anderem:

«Zoom kann in Übereinstimmung […] von Zeit zu Zeit Änderungen, Streichungen sowie Ergänzungen vornehmen (‹Änderungen›). Änderungen an diesen Nutzungsbedingungen werden hier oder in unserer Beschreibung der Dienste, die Sie hier finden, veröffentlicht. Sie sollten regelmäßig nach der neuesten Version suchen und die aktuellste Version auch in Ihren Dateien speichern. Wenn Änderungen vorgenommen werden, gibt Zoom das Datum des Inkrafttretens der Änderungen oben in den Nutzungsbedingungen, die Sie hier finden, oder in unserer Beschreibung der Dienste, die Sie hier finden, an. […] Wenn Sie mit der Nutzung der Dienste nach dem Datum des Inkrafttretens der Änderungen fortfahren, stimmen Sie den geänderten Bedingungen zu. […].»

Für Zoom wäre es möglich, die Nutzer über bevorstehende Anpassungen der Nutzungsbedingungen zu informieren. Mit der geltenden Regelung müssten Nutzer ständig die AGB auf Anpassungen prüfen und die Nutzung bei jeder erkannten Anpassung erst einmal einstellen.

In jedem Fall dürfte die Angelegenheit erhebliche wirtschaftliche Folgen für Zoom haben. Zoom ist darauf angewiesen, dass sich Nutzer aktiv entscheiden, Zoom zu verwenden und dafür zu bezahlen, obwohl sie häufig Microsoft Teams als Teil von Microsoft Office «kostenlos» nutzen können. Ob sich Nutzer für Zoom entscheiden, ist deshalb immer auch eine Frage der Reputation.

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