Kanton Basel-Stadt: E-Voting-Panne bei den eidgenössischen Wahlen 2023

Bild: Ratlose Beamt:innen denken über eine Panne vom E-Voting nach (KI-generiert)

Im Kanton Basel-Stadt kam es bei den eidgenössischen Wahlen 2023 zu einer bislang kaum beachteten E-Voting-Panne. Der Regierungsrat sprach gegenüber dem Parlament von einer «sehr seltenen Konstellation».

Annina von Falkenstein, Grossrätin im Kanton Basel-Stadt, hatte mit Interpellation Nr. 140 zahlreiche Fragen betreffend «Fehlleistungen der Staatskanzlei bei den National- und Ständeratswahlen» an den Basler Regierungsrat gerichtet.

Grund für die Interpellation waren verschiedene Pannen rund um den Wahltermin vom 22. Oktober 2023:

«Leider gab es sowohl im Vorfeld als auch am Wahlsonntag einige Pannen und Fehlleistungen, welche dazu führen können, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden abnimmt. Nur eine offene Aufarbeitung der nicht wenigen Pannen hilft, Vertrauen zurückzugewinnen.»

Eine Panne betraf die Ständeratswahlen:

«Die Bekanntgabe des Ständerats-Resultats verzögerte sich bis um 19:30 Uhr […]. Für die Bekanntgabe des Schlussresultats der Ständeratswahl wurde ursprünglich auf 16 Uhr eingeladen. Die dann Anwesenden wurden im Wahlzentrum auf 16:45 Uhr vertröstet. Dann wurde bekanntgegeben, dass aufgrund einer Unklarheit das Resultat erst um 19:30 bekannt gegeben werden kann.»

Und:

«Im Nachgang der Wahl wurde noch ein Fehler im Ständerats-Wahlresultat bekannt.»

Zufallsfund: E-Voting-Panne aufgrund «sehr seltener Konstellation»

Die Grossrätin hatte E-Voting in ihrer Interpellation nicht erwähnt. Der Kanton Basel-Stadt gehörte aber zu den drei Kantonen, die 2023 erneut versuchten, das umstrittene E-Voting in der Schweiz zu etablieren.

Mit ihren Fragen deckte von Falkenstein aber zufällig eine Panne beim E-Voting auf. Die regierungsrätliche Antwort auf eine der Fragen zeigt, dass die «Unklarheit», welche die Bekanntgabe des Ständerats-Resultats verzögert hatte, einem Problem mit der E-Voting-Software geschuldet war:

«In den Vorbereitungen zu den Wahlen wurde die Software wiederholt und umfassend getestet. Jedoch ergab sich in den E-Voting-Resultatedateien eine sehr seltene Konstellation, deren Auftreten in den Vorbereitungen leider nicht vorausgesehen und deshalb nicht getestet wurde. So wurde der Fehler erst am Wahlwochenende entdeckt und behoben.»

Was unter der erwähnten «sehr seltenen Konstellation» zu verstehen ist, erklärte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt nicht.

Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA fragte nach und erhielt von einem Regierungssprecher namens Marco Greiner folgende Erklärung, wie «Inside IT» berichtet:

«Bei der Einspeisung der E-Voting-Resultate ins Gesamtsystem sei ein Fehler passiert […]. Das E-Voting an sich habe aber fehlerfrei funktioniert. Die entsprechende Fehlerquelle bei der Einspeisung der Daten sei nun bekannt und könne daher bei künftigen Wahlen berücksichtigt werden […].»

Das Problem erinnert an den Rechenfehler beim Bundesamt für Statistik (BFS), das beim Einspeisen von kantonalen Ergebnissen ebenfalls über ein Software-Problem gestolpert war:

«Die am Sonntag vom Bund publizierten Parteistärken bei den Nationalratswahlen waren falsch. […] ‹Der Grund war eine fehlerhafte Programmierung beim Datenimport in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Ausserrhoden und Glarus›, sagt[e] BFS-Direktor Georges-Simon Ulrich […].»

Grossrätin Annina von Falkenstein forderte in ihrer Interpellation zu Recht eine offene Aufarbeitung, um das Vertrauen in die direkte Demokratie in die Schweiz zu gewährleisten. Leider erfolgt eine solche Aufarbeitung bislang weder beim Bundesamt für Statistik noch beim Kanton Basel-Stadt.

Beim E-Voting müsste jede Aufarbeitung zu einem sofortigen Verzicht führen. E-Voting in der Schweiz ist, wie jedes E-Voting-System, unsicher und nicht vertrauenswürdig.

Die Lösung ist – bei aller Liebe für die Digitalisierung – Papier. Mit E-Voting ist es nicht möglich, das Stimm- und Wahlgeheimnis zu bewahren und dabei unter anderem folgende grundlegenden Punkte zu gewährleisten:

  • Die wesentlichen Schritte der Stimmabgabe müssen von den Stimmberechtigten ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können.
  • Sämtliche Stimmen müssen so gezählt werden können, wie sie gemäss dem freien und wirklichen Willen der Stimmberechtigten und von aussen unbeeinflusst abgegeben wurden.

Noch vor den eidgenössischen Wahlen 2023 war wieder eimal ein Sicherheitsproblem beim E-Voting-System der Schweizerischen Post, das unter anderem im Kanton Basel-Stadt verwendet wird, bekannt geworden. Das Problem wurde von Behörden und Post heruntergespielt.

Andrew Appel, Professor für Informatik an der Princeton University und E-Voting-Experte, fand klare Worte zu dieser Art der «Problemlösung»:

«Switzerland’s e-voting system, [l]ike any internet voting system, […] has inherent security vulnerabilities: if there are malicious insiders, they can corrupt the vote count; and if thousands of voters’ computers are hacked by malware, the malware can change votes as they are transmitted. Switzerland ‹solves› the problem of malicious insiders in their printing office by officially declaring that they won’t consider that threat model in their cybersecurity assessment.»

Seit langer Zeit ist klar, dass E-Voting am Vertrauen, das für eine funktionierende direkte Demokratie unverzichtbar ist, scheitert.

Ende November 2010 (!) hatte ich beispielsweise unter dem Titel «E-Voting: Ohne Vertrauen, um jeden Preis» unter anderem Folgendes geschrieben:

«E-Voting ist mit zahlreichen Nachteilen verbunden, die das Vertrauen in die direkte Demokratie untergraben. […] Wieso sollte man staatlichen Stellen vertrauen, obwohl die […] Anforderungen an Abstimmungen und Wahlen aus der Erkenntnis stammen, dass nur Kontrolle auf Dauer die Integrität direktdemokratischer Prozesse gewährleisten kann? Wieso sollte man sich auf die Angaben von Verwaltungsbeamten verlassen müssen, die man selbst nicht nachvollziehen darf?»

Und:

«E-Voting ist in der Schweiz nicht notwendig, denn das Abstimmen und Wählen an der Urne und brieflich funktioniert gut genug, und die vorhandenen Ressourcen könnten für die Verbesserungen dieser bewährten Verfahren genutzt werden. Es ist deshalb unverständlich, dass Schweizer Behörden und Politiker dennoch auf E-Voting setzen und die grundlegenden Gefahren von E-Voting zwar anmerken, im Ergebnis aber ignorieren – sie schwächen damit die Legitimation der direkten Demokratie in der Schweiz.»

Aus heutiger Sicht kommt dazu, dass die Behörden in der Schweiz in den letzten Jahren leider immer wieder gezeigt haben, dass sie nicht in der Lage sind, sichere IT-Infrastruktur zu betreiben oder betreiben zu lassen.

Bei der E-Voting-Panne im Kanton Basel-Stadt fällt auf, dass diese bislang kaum Beachtung fand. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt scheint nicht von sich aus informiert zu haben und die Meldung von Keystone-SDA wurde von fast allen Medien ignoriert.

In einer aktuellen Folge der «Datenschutz Plaudereien» diskutiere ich mit Andreas Von Gunten unter anderem, wieso die E-Voting-Panne bislang kaum Beachtung fand:

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