Anwaltsporträt: «Streitbarer Anwalt und Parlamentarier» Franz Schumacher

Bild: Strafverteidiger Franz Schumacher (KI-generiert)

Mit einem lesenswerten Interview porträtiert die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) den Anwaltskollegen und Politiker Franz Schumacher. Der Anwaltskollege ist 90 Jahre alt und arbeitete lange über das ordentliche Pensionsalter hinaus als Strafverteidiger.

Glaubt man der NZZ, war Anwaltskollege Schumacher ein «streitbarer Anwalt und Parlamentarier» mit politischer Heimat in der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP):

«1933 in Zürich geboren, wo er noch heute lebt, politisierte Franz Schumacher rund zwanzig Jahre im Zürcher Kantonsrat (1971–79) und im Gemeinderat (1982–94). Der debattierfreudige und parteiintern umstrittene SP-Mann galt als einer der auffälligsten Stadtpolitiker seiner Zeit, als ebenso streitbarer Rechtsanwalt begleitete er sowohl die 68er als auch die 80er Unruhen

Einige Zitate aus dem Interview:

«Sie […] bezeichnen sich bis heute als Gerechtigkeitsfanatiker. […] Wie biegsam ist das Recht in der Schweiz?

Sehr biegsam, das zeigte nur schon der Fichenskandal der achtziger Jahre. Im Kanton Zürich der Zeit nach 1848 waren Politik und Regierung sicher rechtsstaatlicher unterwegs als heute. Wir sind nach wie vor alles andere als ein vollkommener Rechtsstaat, wenn es auch weniger schlimm ist als in den meisten anderen Ländern und klar besser als noch vor fünfzig Jahren.

Was führte zur positiven Entwicklung?

Fortschritte in der Bildung, aber auch die erhöhte Bereitschaft der Medien, zu recherchieren. Der Rechtsstaat funktioniert schlecht, wenn niemand da ist, der hinter die Kulissen schaut. Heute wären Skandale kaum mehr zu verheimlichen wie in den fünfziger Jahren, als man zur Senkung der Sozialkosten Frauen und Kinder in Heime und Klöster abschob. Man schloss sie faktisch ein, ohne Gerichtsurteil, schickte sie in Zwangsarbeit. Die Öffentlichkeit wusste nichts davon.»

Und:

«Was ist das grösste Unrecht, das Ihnen persönlich widerfuhr?

Mir widerfuhr kein grosses Unrecht. Aber zum Beispiel einer Strassenhure, die ich den siebziger Jahren verteidigte. Sie verirrte sich aus dem Kreis 4 zu mir mit einem Bussenbescheid. Da merkte ich, dass sie völlig verfassungswidrig Bussen zu weit über 1000 Franken direkt auf der Strasse verteilt erhielten. Unter der Androhung, sie gleich in ein Bezirksgefängnis einzuliefern, gab ihr die Sittenpolizei zwei Stunden, das Geld bei anderen Prostituierten zu pumpen. Ich führte die Rechtswidrigkeit der Bussen an, was den Freispruch meiner Mandantin bewirkte. Die Stadt zog ihn weiter, aussichtslos, bis zum Bundesgericht. Offensichtlich mit der Absicht, die illegalen Bussen von vielen Millionen Franken im Jahr noch möglichst lange sprudeln zu lassen.»

In politischer Hinsicht ist eine Anekdote über den heutigen Regierungsrat Mario Fehr interessant:

«Gegen Christoph Blocher, mit dem Sie im Kantonsrat gewirkt hatten, wären Sie fast bei den Ständeratswahlen 1987 angetreten.

Der linke SP-Flügel wollte mich gegen ihn ins Rennen schicken, der rechte unterstützte die LdU-Kandidatin Monika Weber mit dem völlig korrekten Argument, sie habe die besseren Chancen gegen Blocher. Der damalige Adliswiler Gemeinderat Fehr, recht frisch in der SP und noch kaum bekannt, hielt an der Parteiversammlung im Auftrag des rechten Flügels eine Hassrede gegen mich, die mich sprachlos machte. Dabei kannten wir uns gar nicht.»

Und ebenfalls in politischer Hinsicht:

«Wer waren die fähigsten Politiker, mit denen Sie zu tun hatten?

Der eben verstorbene freisinnige Europaratsabgeordnete Dick Marty, der äusserst mutig über die geheimen Foltergefängnisse der USA in Osteuropa berichtete, und auf lokaler Ebene Niklaus Scherr, der unter anderem den Bericht der Kommission des Zürcher Gemeinderats über die politische Polizei mitredigierte, den landesweit besten zu diesem Thema.»

Auf der Website der NZZ ist das vollständige Interview abrufbar (Archivkopie).

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