PONS: Ungeprüfte Beispiele aus dem Internet im Online-Wörterbuch

Wer das Online-Wörterbuch von PONS nutzt, stösst auf «russische Propagandasätze» gegen die Ukraine, wie der Tages-Anzeiger schreibt. Ein Beispiel ist der Eintrag für «Ostukraine» im Deutsch-Englisch-Wörterbuch.

PONS erklärt, es handle sich um Beispiele aus dem Internet, die nicht redaktionell geprüft seien:

Screenshot: Eintrag «Ostukraine» im PONS-Online-Wörterbuch

Gleich nach den Beispielen kann man die Funktion «Neuen Eintrag erstellen» nutzen. Bei dieser Funktion erklärt PONS unter anderem:

Screenshot: Funktion «Neuen Eintag erstellen» im PONS-Online-Wörterbuch

«Das Online-Wörterbuch von PONS bietet redaktionell geprüfte Qualität. Daher wird jeder Eintrag vor der Veröffentlichung im Wörterbuch redaktionell geprüft und ggf. überarbeitet.»

Was gilt nun?

Die fragwürdigen Beispiele scheinen gemäss Tages-Anzeiger in erster Linie von einer Website namens «ukraine-human-rights.org» zu stammen:

«Die Seite war ein Teil der russischen Desinformationskampagne nach der ukrainischen Maidan-Revolution 2014. Der Name täuscht einen ukrainischen Menschenrechts-Hintergrund vor. Tatsächlich prangerte die Seite aber vor allem angebliche ukrainische Angriffe auf wehrlose russische Bürger an. […]»

Eine weitere Quelle scheint «vineyardsaker.de» zu sein, wie der Tages-Anzeiger schreibt:

«[…] Auf dem Banner der Website sind die Fahnen Russlands und Deutschlands sowie das orange-schwarze Georgsband zu sehen – das Symbol russischer Nationalisten. Die ukrainische Hauptstadt Kiew wird als ‹Nazigrad› bezeichnet und die Ukraine als ‹faschistischer Nazi-Verbrecherstaat›. […]»

PONS erklärt zwar, die Beispiele seien nicht geprüft, aber wie kommt PONS überhaupt dazu, Beispiele von solchen Websites anzuzeigen?

Im Tages-Anzeiger spricht Prof. Sylvia Sasse von der Universität Zürich von einem Skandal:

«[…] Für Sasse liegt jedoch der eigentliche Skandal darin, ‹dass Pons offenbar auf Onlineseiten von Verschwörungstheoretikern und Propagandisten des russischen Regimes verweist, obwohl auf den ersten Blick sichtbar ist, dass das üble russische Desinformation ist›. […]»

Wer bei PONS fand es eine gute Idee, ungeprüfte Beispiele aus dem Internet zu veröffentlichen? Wie wurden die verwendeten Quellen ausgewählt?

Im Tages-Anzeiger wird folgende Erklärung von PONS geliefert:

«2016 habe sich Pons entschieden, den Nutzern bei den Übersetzungen durch längere Beispielsätze ‹mehr Inspiration und Kontext bei der Wortnutzung die Hand zu geben›. Damals seien in kurzer Zeit mehrere Millionen Beispielsätze hinzugefügt worden. Als Kriterium dienten vor allem die Wertigkeit bei der Suchmaschine Google sowie weitere formale Kriterien. Die inhaltliche Prüfung war da weniger möglich.»

Mit dem lapidaren Verweis auf «Beispiele aus dem Internet» machte es sich PONS jedenfalls zu einfach.

Die Beispiele gelangten nicht von selbst in das Online-Wörterbuch, sondern PONS hatte sich entschieden, ungeprüfte Beispiele aus dem Internet zu veröffentlichen. Das Problem wird aufgrund der russischen Propaganda besonders deutlich, besteht aber unabhängig davon.

Im Ergebnis trägt PONS die inhaltliche Verantwortung – und scheint diese nun aufgrund der aktuellen Medienberichterstattung  immerhin mit Blick auf die fragwürdigen russischen Quellen wahrzunehmen.

3 Kommentare

  1. Viel schlimmer finde ich, dass man nur noch bis Anfang Semptember Einspruch gegen die AGB einlegen kann wegen Benutzung von KI. Pons möchte nunmehr KI für die Wörterbuch-Einträge nutzen. Viel Spass mit den vielen Fehlübersetzungen. Es reicht schon, dass die Audio-Ausgabe völlig falsch ist. Kauft lieber noch schnell alle papierenen Dictionnaire auf, bevor alles nur in einem Sprachenchaos endet.

  2. Sehr geehrter Herr Steiger,

    Wie sieht es rechtlich damit aus, wenn Seiten in den AGBs klarstellen, dass «der Betreiber der Seite keine Haftung für die Meinungen der links übernimmt» oder «deren Anschauungen nicht zwangsweise diejenigen der zu verweisenden Seite widerspiegelt». Kann eine Seite sich auf eine solche Angabe berufen oder ist sie nicht rechtlich bindend? M. W. steht dieser Haftungsausschluss nicht auf der pons-Seite. Besten Dank!

    1. @Philipp Honegger:

      Für Besucherinnen und Besucher ist ein solcher Haftungsausschluss, wenn überhaupt, nur rechtswirksam, wenn sie den Ausschluss ausdrücklich bestätigen müssen. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) haben vertraglichen Charakter und gelten grundsätzlich nicht allein dadurch, dass jemand eine Website mit veröffentlichen AGB besucht.

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