Aufsicht über Geheimdienste: Koordinationsvereinbarung zwischen Aufsichtsbehörden AB-ND und EDÖB in der Schweiz

Bild: Aufsichtsbehörden nehmen die Daten bei Geheimdiensten unter die Lupe (KI-generiert)

In der Schweiz wird die Datenbearbeitung durch die Geheimdienste vom EDÖB als Datenschutz-Aufsichtsbehörde und von der AB-ND als Geheimdienst-Aufsichtsbehörde beaufsichtigt. Am 17. / 19. Mai 2023 unterzeichneten die beiden Behörden eine Vereinbarung, um die bestehende Praxis der Koordination zu formalisieren.

Die Koordinationsvereinbarung war bislang nicht öffentlich zugänglich. Ich beschaffte deshalb mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip die Vereinbarung im französischen Original und veröffentliche eine informelle Übersetzung auf Deutsch.

Die AB-ND, die unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten in der Schweiz, beschreibt die Ausgangslage in ihrem Tätigkeitsbericht 2023 (PDF) wie folgt:

«Im Rahmen ihrer Prüfungshandlungen überprüft die AB-ND Informationssysteme der beaufsichtigten Stellen sowie deren Datenbearbeitung. Zudem kann sie die Abfrage von Daten durch die beaufsichtigten Stellen überprüfen, für deren Bearbeitung andere, nicht beaufsichtige Bundesbehörden zuständig sind. Die Aufsichtsbehörde für die Datenbearbeitung durch die Bundesbehörden ist der EDÖB. Die Zuständigkeiten des EDÖB und der AB-ND – zwei bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben von der Bundesverwaltung unabhängige Behörden – überschneiden sich teilweise. Um unklare Zuständigkeiten oder Doppelspurigkeiten für die beaufsichtigten Behörden zu vermeiden, stimmen die AB-ND und der EDÖB ihre Tätigkeiten bei Sitzungen und einem regelmässigen Austausch aufeinander ab.»

Und:

«Bei einem Koordinationstreffen zwischen dem EDÖB und der Leiterin AB-ND im Februar 2023 wurde vereinbart, die aktuelle Praxis, die funktional und zweckmässig ist, zu formalisieren. Im Mai 2023 unterzeichneten die AB-ND und der EDÖB eine Koordinationsvereinbarung.»

Der EDÖB, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte, ist die schweizerische Datenschutz-Aufsichtsbehörde für Bundesorgane und private Verantwortliche.

Wie funktionierte der Zugang zur Koordinations­vereinbarung?

Die Koordinationsvereinbarung hatte ich am 26. März 2024 bei der AB-ND angefordert und am 10. April 2024 erhalten. Insofern war das Verfahren gemäss Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) unproblematisch.

Das Beispiel zeigt aber einmal mehr auch, dass es eigentlich kein Öffentlichkeitsprinzip gibt, sondern nur die Möglichkeit, um Zugang zu ausgewählten Dokumenten zu ersuchen. Die AB-ND hätte die Vereinbarung von sich aus veröffentlichen können.

Für welche Geheimdienste gilt die Koordinations­vereinbarung?

Die Koordinationsvereinbarung ist auf Französisch verfasst und wurde von den Leitern der beiden Behörden, von Prisca Fischer (AB-ND) und Adrian Lobsiger (EDÖB), unterzeichnet.

Für die Vereinbarung wurden bereits das neue Datenschutzgesetz (DSG) und die neue Datenschutzverordnung (DSV) berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch nicht in Kraft waren. Ich gehe davon aus, dass die Vereinbarung im Hinblick auf das neue Datenschutzrecht in der Schweiz geschlossen wurde.

Die Koordinationserinnerung ruft in Erinnerung, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) nicht der einzige Geheimdienst in der Schweiz ist.

Erwähnt werden in der Vereinbarung der Dienst für präventiven Schutz der Armee (DPSA) zur Spionageabwehr im militärischen Bereich und der militärische Nachrichtendienst (MND), der Dienst für Cyber- und elektromagnetische Aktionen (CEA) mit insbesondere der Kabelaufklärung, und die kantonalen Geheimdienste. Nicht erwähnt wird das Bundesamt für Polizei (Fedpol).

Was steht in der Koordinations­vereinbarung?

Informelle Übersetzung der französischsprachigen Koordinationsvereinbarung auf Deutsch:

«Koordinationsvereinbarung

zwischen der

Unabhängigen Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten (AB-ND)

und dem

Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB)

1. Rechtliche Grundlagen

Die AB-ND und der EDÖB haben eine Sonderstellung, da beide Behörden bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben von der Bundesverwaltung unabhängig sind. Gemäss Art. 78 Abs. 2 NDG, Art. 53 DSG, Art. 39 lit. c DSV und Art. 14 RVOV sind sie gesetzlich verpflichtet, ihre Aufsichtstätigkeit zu koordinieren.

2. Zweck

Die beiden unabhängigen Behörden haben gesetzliche Befugnisse zur Überwachung der Datenverarbeitung durch die Nachrichtendienste. Die Behörden möchten ihre Zusammenarbeit bei der Überwachung dieser Datenverarbeitungen, wie in der E-Mail vom 16. Januar 2019 und in der Sitzung unserer beiden Behörden vom 14. Februar 2023 dargelegt, fortsetzen und präzisieren.

Zu diesem Zweck koordiniert die vorliegende Vereinbarung die Zusammenarbeit zwischen der AB-ND und dem EDÖB. In Fällen, die nicht durch die vorliegende Vereinbarung abgedeckt sind, suchen die beiden Behörden nach einer pragmatischen Lösung, die ihre jeweiligen Interessen in Einklang bringt.

3. Geltungsbereich

Als Nachrichtendienste gelten:

  • der Nachrichtendienst des Bundes (NDB)
  • die kantonalen Nachrichtendienste (NDK), soweit sie der Aufsicht des Bundes unterstehen,
  • der militärische Nachrichtendienst (MND),
  • der Dienst für den präventiven Schutz der Armee (DPSA) und
  • das Zentrum für elektronische Operationen (ZEO) beziehungsweise der Dienst für Cyber- und elektromagnetische Aktionen (CEA)

4. Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit

Die AB-ND und der EDÖB vereinbaren, dass die Aufsicht über die Datenbearbeitung durch die Nachrichtendienste hauptsächlich bei der AB-ND liegt. Ausgenommen sind Bereiche, in denen das Gesetz ausdrücklich die Zuständigkeit des EDÖB vorsieht (z.B. Kontrollverfahren im Rahmen des Auskunftsrechts gemäss Art. 63 ff. NDG).

Die AB-ND und der EDÖB beraten sich gegenseitig und arbeiten bei ihrer Aufsichtstätigkeit zusammen. Zu diesem Zweck benennen beide Behörden eine Kontaktperson und informieren sich gegenseitig über Änderungen. Die Kontaktpersonen von AB-ND und EDÖB treffen sich mindestens einmal jährlich.

Die AB-ND informiert den EDÖB über alle Umstände, die eine Untersuchung im Sinne von Art. 49 DSG auslösen könnten, sowie über Sachverhalte, die Behörden betreffen, die nicht der Aufsicht der AB-ND unterliegen (insbesondere das Fedpol, das Staatssekretariat für Migration und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit). Die AB-ND informiert den EDÖB über ihre Inspektionen, die die Datenverarbeitung betreffen, und über deren Ergebnisse. Die AB-ND unterbreitet ihren jährlichen Inspektionsplan zur Konsultation dem EDÖB.

Der EDÖB informiert die AB-ND über die Eröffnung von Untersuchungen im Sinne von Art. 49 DSG und über den Erlass von Empfehlungen oder Entscheidungen gemäss BGÖ betreffend die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Nachrichtendienste.

5. Inkrafttreten

Diese Vereinbarung tritt am Tag ihrer Unterzeichnung in Kraft.»

Hinweis: Die Schwärzung der Unterschriften in der Koordinationsvereinbarung erfolgte nachträglich – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – für die vorliegende Veröffentlichung. Die AB-ND hatte die Koordinationsvereinbarung ungeschwärzt herausgegeben.

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