Der Begriff «Bimbo» gilt in der deutschsprachigen Schweiz als rassistisches Schimpfwort. Die Marke «BIMBO QSR» ist deshalb nicht schutzfähig. Mit Urteil B-4934/2023 folgte das Bundesverwaltungsgericht am 7. Mai 2024 dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE).
In seinem Urteil gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu folgendem Fazit:
«Insgesamt ist das Zeichen ‹Bimbo QSR› für die beanspruchten Lebensmittel, Dienstleistungen zur Vermarktung von Lebensmitteln sowie Bäckerei- und Konditoreidienstleistungen sittenwidrig.»
Das IGE als Vorinstanz hatte den Schutz provisorisch mit folgender Beanstandung verweigert:
«[Das IGE] beanstandete, ‹Bimbo› sei in der deutschen Sprache eine stark abwertende und rassistische Bezeichnung für einen Menschen mit dunkler Hautfarbe. Die Registrierung verstosse damit gegen die guten Sitten gemäss Art. 6quinquies Bst. B Ziff. 3 PVÜ und Art. 2 Bst. d MSchG.»
Die Hinterlegerin der Marke widersprach unter anderem wie folgt:
«[…] insbesondere sei der Zeichenbestandteil ‹Bimbo› vieldeutig und werde als italienischer Begriff für ‹kleines Kind› oder ‹kleiner Junge› verstanden. Das Wortelement QSR stehe bekanntermassen für Quick Service Restaurant und lasse eine rassistische Konnotation umso abwegiger erscheinen.»
Das Zusatzelement «QSR» änderte nichts an der Sittenwidrigkeit:
«‹QSR› ist eine Abkürzung für Quick Service Restaurant und ist in der Gastronomiebranche als Wort für Fast Food Restaurant gebräuchlich […]. Da es sich um die Abkürzung eines englischen Wortes handelt, welches beschränkt auf eine bestimmte Branche Anwendung findet, kann nicht erwartet werden, dass ‹QSR› von der Schweizer Bevölkerung verstanden wird oder eine bestimmte Bedeutung hervorruft. Es würde am Verständnis des ersten Markenbestandteils auch dann nichts verändern.»
Und:
«Anders wäre zu urteilen, wenn zusätzliche Zeichenelemente wie Wörter oder Bilder direkt einen anderen Sinngehalt des Wortes ‹Bimbo› als den rassistischen nahelegen würden. Der Zusatz ‹QSR› vermag den Gesamteindruck des Zeichens somit nicht wesentlich zu beeinflussen oder dessen Sittenwidrigkeit zu überwinden.»
Urteilsbegründung mit fleissigem Recherchieren im Internet
Die Sittenwidrigkeit von «Bimbo» begründete das Bundesverwaltungsgericht insbesondere mit Verweis auf den Duden und weitere Nachschlagewerke sowie auf Internet-Quellen wie das Forum des FC Basel und Leserkommentare bei «Watson»:
«Verschiedene deutschsprachige Wörterbücher und Lexika berichten, ‹Bimbo› sei ein stark diskriminierendes Schimpfwort für Menschen mit dunkler Hautfarbe (Duden […]; Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute […], Redensarten-Index […], wikipedia […]). Zur Etymologie wird im Duden bemerkt, die Herkunft sei ungeklärt (vgl. Duden […]).»
(Mit «wikipedia» in Kleinschreibung ist das freie Wörterbuch «Wiktionary» gemeint.)
Und:
Dass ‹Bimbo› als rassistisches Wort verstanden wird, schloss [das IGE] u.a. gestützt auf Ergebnisse von Internetrecherchen. Eine Untersuchung im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Rassismus verweist auf Strafverfahren wegen Verletzung der Anti-Rassismusstrafnorm, weil Personen mit dunkler Hautfarbe mit dem Wort ‹Bimbo› beschimpft wurden […]. Weiter kann Auszügen von Beiträgen in Schweizer Internetforen (u.a. des FCB […] und albanien.ch […]) und Kommentaren zu Artikeln von Medien wie Watson […] und hitparade.ch […] sowie Quizfragen auf testedich.ch […] entnommen werden, dass der Begriff in stark diskriminierender Weise verwendet und verstanden wird. Schliesslich berichteten Medien wie u.a. die NZZ […] und die Tageswoche […] vom Gebrauch des Begriffs im Zusammenhang mit Rassismus.»
Und weiter:
«[Das IGE] hat zu Recht die erwähnten Einträge aus Wörterbüchern und Lexika als Ausgangspunkt genommen, um darzulegen, wie ‹Bimbo› von den Verkehrskreisen verstanden wird. Die Herkunft des Wortes ist dabei unerheblich. Dass ‹Bimbo› tatsächlich als rassistisches Schimpfwort verwendet wird, hat das vorinstanzliche Verfahren gestützt auf diverse Belege aus verschiedenen Bereichen wie Rechtspraxis, Internetforen und Medien aufgezeigt. […] Demgegenüber legt die Beschwerdeführerin keine Gegenbeispiele vor, dass massgebenden Kreisen die rassistische Bedeutung des Wortes unbekannt sei. Der blosse Hinweis, dass beim Wikipedia-Eintrag von ‹Bimbo› Beispiele, Nachweise sowie ein Artikel fehlen, überzeugt jedenfalls nicht.
Folglich verstehen Personen mit dunkler Hautfarbe ‹Bimbo› jedenfalls auch als rassistisches Schimpfwort […].»
Keine Rolle spielte, wie der Begriff «Bimbo» tatsächlich verwendet wird (mit Hervorhebungen):
«Hinsichtlich der sozialen Verhältnisse der Betroffenen […] ist zu berücksichtigen, dass Personen mit dunkler Hautfarbe seit mehreren Jahrhunderten mit Rassismus konfrontiert werden, solchen erdulden und aktuelle Ausprägungen von Alltagsrassismus bis hin zu Diskriminierung und Ablehnung reichen (https://www.ekr.admin.ch/themen/d127.html und https://www.ekr.admin.ch/pdf/Studie_AntiRassismus_D.pdf […]). Zu den Formen diskriminierenden Verhaltens zählen gerade auch Beschimpfungen […]. Da die Intention, mit welcher ein Begriff gebraucht wird, nicht relevant ist […], ist unerheblich, dass die Beschwerdeführerin den Begriff ‹Bimbo› ohne rassistische Absicht verwendet.»
Und:
«Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ‹Bimbo› seit mehreren Jahrzehnten in ihren Namen trägt und eine Vielzahl von Marken das Zeichenelement ‹Bimbo› enthalten, vermag nichts an der Beurteilung zu ändern. Vielmehr entspricht es gerade dem Sinn und Zweck der Schutzverweigerung, eine Verharmlosung rassistischer Begriffe durch deren Gebrauch in anderen Zusammenhängen zu verhindern. Weiter wirkt ‹Bimbo› vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Sensibilisierung verletzend, obwohl der Begriff früher als unproblematisch bewertet wurde. Dass [das IGE] nicht aufzeigte, dass sich bestimmte Personen durch die Marke der Beschwerdeführerin oder durch Firmennamen von Unternehmen mit dem Bestandteil ‹Bimbo› gestört fühlten, ist ebenso wenig relevant […].»
Dabei wird ohnehin auf die betroffene Minderheit abgestellt:
«Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen das Empfinden zu verletzen geeignet ist, wird auf durchschnittliche Angehörige der betroffenen Minderheit in der Schweiz abgestellt, womit extreme Sensibilitäten unberücksichtigt bleiben.»
«Bimbo» als rassistisches Schimpfwort verdrängt andere Bedeutungen von «Bimbo»
Alles in allem gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu einem klaren Urteil:
«Zusammengefasst wird das mehrdeutige Wort ‹Bimbo› auch als rassistisches Schimpfwort verstanden und die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, dass ein anderer Sinngehalt dieses Verständnis in den Hintergrund drängt. Ein anderes Verständnis drängt sich im Übrigen auch nicht bei Betrachtung des in Frage stehenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auf […]. Andere Sinngehalte sind folglich zu schwach, um die rassistische Bedeutung von ‹Bimbo› in den Hintergrund zu stellen.»
Die mexikanische Marke «BIMBO QSR» wurde in 10 Ländern international registriert. Nur in der Schweiz wurde die Marke als nicht schutzfähig qualifiziert. Schutzfähig war die Marke unter anderem in Frankreich, Italien, in den USA und im Vereinigten Königreich.
Beim Bundesverwaltungsgericht ist das Urteil im ausführlichen Volltext mit vielen weiteren Erwägungen abrufbar.
Nachtrag: Das Bundesverwaltungsgericht hat inzwischen mitgeteilt, dass gegen das Urteil Beschwerde beim Bundesgericht erhoben wurde.
Bild: OpenAI / ChatGPT 4; schweizerische Richter tragen in Wirklichkeit keine Perücken oder Roben.
Erstaunlicher Entscheid. Da es z.B. eine bimbo.ch gibt, die Spielplatz- und Bewegungsgeräte für alle Generationen herstellt und da scheint der Begriff kein Problem zu sein.
Oder gilt das Ganze nur für den zusätzlichen Markeneintrag der durch den Namen verweigert wird?
@René Meyerhofer:
Der Entscheid gilt nur im vorliegenden Einzelfall.