Seit Anfang 2024 können Staatsanwaltschaften von den Opfern von Ehrverletzungen einen Kostenvorschuss verlangen. Die Kostenvorschüsse zeigen die erhoffte abschreckende Wirkung.
Gemäss Art. 303a StPO kann eine Staatsanwaltschaft dem Opfer einer Ehrverletzung eine Frist setzen, «für allfällige Kosten und Entschädigungen eine Sicherheit zu leisten.» Es geht um üble Nachrede (Art. 173 StGB), die Verleumdung (Art. 174 StGB) und die Beschimpfung (Art. 177 StGB), gerade auch im digitalen Raum.
Aus der «kann»-Bestimmung wurde erwartungsgemäss eine «fast immer»-Bestimmung. Wenn die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet wird, gilt der Strafantrag als zurückgezogen.
Mindestens bei Opfern, die nicht anwaltlich vertreten sind, führen die Kostenvorschüsse dazu, dass auf Strafanträge verzichtet wird, wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) recherchiert hat:
«In Graubünden wurden von 36 Vorschüssen für Ehrverletzungsklagen nur 14 bezahlt, im Thurgau war dies etwa bei der Hälfte der Fall.»
Die Höhe der verlangten Kostenvorschüsse ist kantonal unterschiedlich:
«Die Staatsanwaltschaft St. Gallen verlangt mindestens 500 Franken, in Basel-Stadt sind es 800, im Thurgau 1000 und in Graubünden 1500 Franken.»
Und:
«Im Kanton Zürich […] liegt die Gebühr zwischen 1100 und 2100 Franken.»
Der Kostenvorschuss wird nach Verfahrensabschluss fast immer zurückerstattet:
«Im Normalfall gibt es nach Abschluss des Verfahrens den Vorschuss zurück. Die Staatsanwaltschaft Thurgau schreibt: ‹Im Fall eines Schuldspruchs wird der Kostenvorschuss zurückerstattet. Eine Rückerstattung erfolgt auch im Fall einer Einstellung oder eines Freispruchs.›»
Dieser Normalfall hat den Grund, dass die Strafprozessordnung nur ausnahmsweise vorsieht, dass eine antragstellende Person Kosten bezahlen oder eine Entschädigung leisten muss. Insofern muss man sich mit Blick auf das Adjektiv «allfällig» fragen, ob die Staatsanwaltschaften tatsächlich berechtigt sind, fast immer einen Kostenvorschuss zu verlangen.
Neue Kosten für Opfer von Hatern, Stalkern und Trollen: Staatsanwaltschaften verlangen Sicherheitsleistung für Strafverfahren
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