E-Mail-Marketing: Strafbefehl nach unvollständiger Auskunft gemäss neuem Datenschutzgesetz

Foto: «Spam»-Dose aus Südkorea

Ein Mitglied der Digitalen Gesellschaft in der Schweiz berichtet, gegen ein E-Mail-Marketing-Unternehmen einen Strafbefehl wegen unvollständiger Auskunft gemäss dem neuen Daten­schutz­gesetz (DSG) erwirkt zu haben.

Gemäss Art. 60 Abs. 1 lit. a DSG droht privaten Personen – gemeint sind natürliche Personen – eine Busse bis zu 250’000 Franken für die vorsätzliche falsche oder unvollständige Erteilung einer datenschutzrechtlichen Auskunft. Ausnahmsweise können auch Unternehmen – das heisst juristische Personen – bestraft werden (Art. 64 DSG).

In seinem Bericht (Archivkopie) schreibt das erwähnte Mitglied, die betroffene Person, unter anderem:

«Im April schilderte ich in einem Gastbeitrag, wie ich ein Datenauskunftsbegehren zu einer unerwünschten Werbe-E-Mail einreichte. Und, als dieses unvollständig beantwortet wurde, den Rechtsweg beschritt. […] Im Sommer hat nun das zuständige Stadtrichteramt [der Stadt Zürich] das Verfahren abgeschlossen – und zwar mit einem Strafbefehl gegen die E-Mail-Marketing-Firma.

Das Amt sah es nämlich als erwiesen an, dass die Firma weder dafür gesorgt hatte, dass ich über die Herkunft meiner Kontaktdaten informiert war, noch sichergestellt hatte, dass mein Einverständnis für die Zustellung von Werbung vorlag. Somit sei sie ihren gesetzlichen Pflichten als Datenbearbeiterin nicht nachgekommen, was sie gewusst oder zumindest in Kauf genommen habe.»

Und:

«Mit dem Strafbefehl wurde die Marketing-Firma zu einer Geldstrafe von CHF 200 und zusätzlichen Gebühren von CHF 250 verurteilt, sodass sie insgesamt CHF 450 zu entrichten hat. Ein Eintrag im Strafregister war damit nicht verbunden.»

Das erwähnte Stadtrichteramt Zürich ist für die Verfolgung von Übertretungen zuständig. Eine Übertretung ist eine Straftat, die mit Busse bedroht ist (Art. 103 StGB).

Die Begründung für den Strafbefehl vom 10. Juni 2024 unter dem Aktenzeichen 2023-066-252, die im Bericht zitiert wird, lässt einige Fragen offen:

  • Wer wurde bestraft, die «Beschuldigte als die für Datenschutz verantwortliche Person der Firma» gemäss dem zitierten Strafbefehl oder die «E-Mail-Marketing-Firma» gemäss dem Bericht?
  • Wieso beruft sich das Stadtrichteramt auf die Verletzung der Informationspflicht gemäss Art. 19 u. 20 DSG und nicht auf die Verletzung des Auskunftsrechts gemäss Art. 25 f. DSG? Welche datenschutzrechtlichen Pflichten wurden tatsächlich verletzt?
  • Welche Bedeutung hat die im zitierten Strafbefehl erwähnte nicht sichergestellte Einwilligung «zur Bearbeitung zu Werbezwecken»? Welchen «gesetzlichen Pflichten als Datenbearbeiterin» ist die Beschuldigte nicht nachgekommen?
  • Wurde der Strafbefehl rechtskräftig oder hat die erwähnte «Beschuldigte» Einsprache erhoben?

Der Verein entscheidsuche.ch hat angekündigt, den Strafbefehl im anonymisierten Original anfordern zu wollen. Möglicherweise wird der vollständige Strafbefehl Antworten auf die obigen Fragen liefern.


Nachtrag: Inzwischen hat das Stadtrichteramt Zürich den diskutierten Strafbefehl im Volltext zur Verfügung gestellt.

Dokument: Strafbefehl 2023-066-252 des Stadtrichteramts Zürich vom 10. Juni 2024

2 Kommentare

  1. Hier ist der Autor des DigiGes Artikel.

    > Inwiefern gelten für ein Auskunftsbegehren, das – soweit ersichtlich – Ende 2022 / Anfang 2023 gestellt und unvollständig beantwortet wurde, die Strafbestimmungen im neuen DSG und nicht jene im alten DSG?

    Diese Frage stellte ich mir auch, alle Handlungen fanden vor dem 1. September 2023 statt.

    > Wer wurde bestraft, die «Beschuldigte als die für Datenschutz verantwortliche Person der Firma» gemäss dem zitierten Strafbefehl oder die «E-Mail-Marketing-Firma» gemäss dem Bericht?

    Im Strafbefehl steht tatsächlich «E-Mail-Marketing-Firma, * OBW» und nicht etwa der Name des Datenschutzverantwortlichen. Ich kann mit «OBW» gerade nicht viel anfangen.

    > Wurde der Strafbefehl rechtskräftig oder hat die erwähnte «Beschuldigte» Einsprache erhoben?

    Die Einsprachefrist ist mittlerweile seit zwei Monaten verstrichen, ohne das ich über eine Einsprache in Kenntnis gesetzt wurde. Was ich als Laie nicht weiss, ist ob der Kläger überhaupt informiert wird oder und allenfalls aktive nachfragen kann.

    1. @Andreas Stricker:

      Merci für die Ergänzungen!

      «Diese Frage stellte ich mir auch, alle Handlungen fanden vor dem 1. September 2023 statt.»

      Eigentlich müsste das mildere Recht gelten («Lex mitior»), mit Blick auf das Strafmass also das frühere Datenschutzgesetz (Busse von 10’000 Franken vs. Busse von 250’000 Franken).

      «Die Einsprachefrist ist mittlerweile seit zwei Monaten verstrichen, ohne das ich über eine Einsprache in Kenntnis gesetzt wurde.»

      Die bestrafte Person wäre schlecht bedient mit einer Einsprache. Eine Einstellung oder ein Freispruch wären denkbar, aber mangels Eintrag im Strafregister gibt es dafür keinen Anreiz.

      PS: Inzwischen habe ich einen weiteren Beitrag veröffentlicht:

      https://steigerlegal.ch/2024/09/24/volltext-strafbefehl-dsg-schweiz/

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