Nationalrat Philippe Nantermod fordert mit seinem Postulat 24.4055, die «Tyrannei des Datenschutzes» in der Schweiz sei zu stoppen.
Gemäss dem Postulat soll der Bundesrat «im Rahmen einer rechtlichen Analyse wirksame Massnahmen für Erleichterungen in der Datenschutzgesetzgebung [vorlegen]»:
«Die Datenschutzbestimmungen sollen gelockert, extensive Auslegungen der Gesetzgebung verhindert und die Interventionen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) bei Privaten begrenzt werden.»
Philippe Nantermod, von Beruf Rechtsanwalt, ärgert sich insbesondere über den EDÖB, stört sich aber auch am angeblichen Verbot, WhatsApp zu nutzen, und nervt sich über Cookie-Banner:
«Mit der Entwicklung der Informationstechnologie ist der Datenschutz zu einem wichtigen Anliegen geworden. Das Thema ist derart in den Fokus gerückt, dass sich daraus ein regelrechtes Geschäft ergeben hat. Unzählige Beraterinnen und Berater haben Datenschutz zu ihrem Beruf gemacht.
Es geht überhaupt nicht mehr darum, den Bürgerinnen und Bürgern den Alltag zu erleichtern und ihre Privatsphäre zu schützen. Im Gegenteil, die hohen Anforderungen an den Datenschutz erschweren die zwischenmenschlichen Beziehungen unnötig, verhindern und verkomplizieren den Zugang zu sehr praktischen Hilfsmitteln, erhöhen die Kosten für Unternehmen und schaffen eine höllische Bürokratie.
Während sich die eigens für Datenschutzzwecke geschaffenen Behörden an den zahlreichen Richtlinien begeistern, die sie produzieren, damit sich die Bürgerinnen und Bürger voreinander schützen können, haben Letztere das berechtigte Gefühl, bevormundet zu werden und die Vorteile der neuen Technologien nicht mehr ungehindert nutzen zu können.
Beispiele hierfür sind die zahlreichen Verbote, sehr praktische Anwendungen wie Whatsapp zu nutzen, die manchmal absurden Anforderungen an Unternehmen zur Beschaffung von Daten, die gar nicht vertraulich sind, oder die ewigen Cookies, die das Surfen im Internet so anstrengend machen. Vor Kurzem kündigte Apple an, einige seiner Dienste, darunter auch die praktischsten, wegen der unnötigen Gesetzgebung im Bereich Datenschutz für Nutzerinnen und Nutzer in Europa nicht mehr anzubieten. In der Schweiz intervenierte der EDÖB sogar bei der Plattform Digitec: Die Plattform habe nicht das Recht, für Bestellungen die Einrichtung eines Kundenkontos zu verlangen. Dieser Eingriff des EDÖB in die Privatwirtschaft hat überhaupt nichts mit Datenschutz zu tun.
Weiter sind die erwähnten neuen Datenschutzbestimmungen in einer Zeit, in der Europa und die Schweiz darauf achten müssen, wirtschaftlich nicht völlig den Anschluss zu verlieren, ein klares Innovationshemmnis. Zu guter Letzt kann man sich vor dem Hintergrund der aktuellen Ausgabenkürzungen fragen, ob im Bereich Datenschutz nicht erhebliche Einsparungen gemacht werden könnten. »
In der Schweiz trat das neue Datenschutzgesetz (DSG) nach einem langen politischen Prozess am 1. September 2023 in Kraft und sicherte insbesondere den freien Datenverkehr mit dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Niemand hatte gegen das neue DSG das Referendum ergriffen. Das neue DSG gilt alles in allem als wirtschaftsfreundlich, gerade im Vergleich zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Der EDÖB als Datenschutz-Aufsichtsbehörde sorgt mit Meinungsäusserungen in der Öffentlichkeit und in Verfahren manchmal für Irritationen, scheint bislang aber zurückhaltend zu handeln. Dabei kann der EDÖB, anders als seine Kolleginnen und Kollegen in anderen europäischen Ländern, auch keine Bussen verhängen.
Im Ergebnis halte ich es für unwahrscheinlich, dass Nationalrat Natermod mit seinem Postulat durchdringen wird.
Bild: Pixabay / dimitrisvetsikas1969, Public Domain-ähnlich.