«Würden alle Hass-Posts verfolgt, wäre das uferlos»

Aktualisiert

Beschimpfungen im Netz«Würden alle Hass-Posts verfolgt, wäre das uferlos»

Als «pädophil» und «faschistisch» beschimpft, geht Andreas Glarner (SVP) rechtlich gegen Ehrverletzungen vor. IT-Anwalt Martin Steiger erklärt die Rechtslage.

daw
von
daw

Herr Steiger, SVP-Nationalrat Andreas Glarner hat mindestens zehn seiner Hater wegen Diffamierungen im Netz angezeigt. Wie häufig sind solche Fälle?

Es gibt keine genaue Statistik. Die Zahl der Fälle hat in den letzten Jahren aber sicher zugenommen, unter anderem, weil mit der neuen Strafprozessordnung die Hürden für solche Strafverfahren gesenkt wurden. Sondert man ehrverletzende Äusserungen im digitalen Raum ab, sind sie ausserdem automatisch sauber dokumentiert. Zwar werden sich SP-Mitglieder am Stammtisch womöglich mündlich ehrverletzend über Herrn Glarner äussern, sie werden dafür aber kaum belangt. Anders sieht es aus, wenn diffamierende Kommentare in sozialen Netzwerken gemacht werden.

Glarner wurde der Pädophilie bezichtigt oder als Faschist bezeichnet. Verstehen Sie, dass er den Rechtsweg beschreitet?

Bei ihm ist der Fall speziell, weil er selbst stark austeilt. Er hat aber wie alle das Recht, einen Strafantrag zu stellen oder Klage zu erheben. Ich verstehe deshalb, dass er versucht, gegen diese Aussagen vorzugehen. Dem Pädophilie-Vorwurf ausgesetzt zu sein, ist eine gesellschaftlich-politische Todesstrafe – auch wenn Pädophilie an sich nicht strafbar ist.

Mehrere Anzeigen hatten schon Erfolg. Sind die Chancen allgemein gut, wenn man Ehrverletzungen verfolgt und einklagt?

Das hängt von der jeweiligen Staatsanwaltschaft ab. Einige sind überlastet und möchten sich nicht auch noch mit solchen Fällen herumschlagen. In aller Regel wird versucht, einen Vergleich herbeizuführen. Und: Würden alle rechtsverletzenden Kommentare angezeigt, wäre das uferlos. Viele Opfer von Ehrverletzungen scheuen zudem den Aufwand für einen Strafantrag.

Eine Beleidigung erfolgte auf einem Anzeigenportal unter einem Pseudonym. Trotzdem konnte die Justiz den Mann ausfindig machen.

Bei Schweizer Plattformen ist das Gesetz klar: Sie sind zur Auskunft verpflichtet, wenn die zuständigen Behörden darum ersuchen.

Einige von Glarners Hatern bekommen einen Strafregistereintrag. Wirkt das abschreckend?

Ich bezweifle, dass die abschreckende Wirkung auf andere gross ist. Wirksamer ist, wenn Betroffene oder die Medien über solche Fälle berichten. So veröffentlicht Herr Glarner bisweilen Strafbefehle – und verletzt damit allenfalls seinerseits Persönlichkeitsrechte. Die Betroffenen können sich gegen einen solchen Pranger aber häufig nicht wirksam wehren.

Deine Meinung