Sollen Dashcam-Videos als Beweismittel gelten?

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Freispruch trotz BeweisSollen Dashcam-Videos als Beweismittel gelten?

Ein Verkehrssünder kommt davon, weil das Vergehen mit einer Dashcam gefilmt wurde. Nun tobt ein Streit über die Verwendung von Autokameras vor Gericht.

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Ein Autofahrer überholte am 8. Oktober 2015 einen Fahrlehrer – rechts und mit überhöhter Geschwindigkeit. Die Dashcam des Fahrlehrers filmte das gefährliche Überholmanöver und übergab die Aufnahme der Polizei. Der Fahrer des Wagens konnte durch eine Vergrösserung der entsprechenden Filmsequenz über das Autokennzeichen identifiziert werden.

Trotzdem hat das Schwyzer Kantonsgericht den Raser kürzlich in zweiter Instanz freigesprochen. Er erhält 5430 Franken Entschädigung. Die Argumentation der Richter: Weil der Fahrlehrer ohne Schüler unterwegs gewesen sei, habe er das Verkehrsgeschehen im konkreten Fall ohne ersichtlichen Anlass gefilmt. Die Aufzeichnungen würden deshalb Datenschutzvorschriften verletzen. Folglich seien sie nicht als Beweismittel zugelassen.

«Man ist doch froh über jeden Berweis»

Das Urteil entfacht die Diskussion um die Verwendung von Dashcams vor Gericht neu. Für die SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler ist der Entscheid absurd: «Es stört mich generell, wenn Beweise aus irgendwelchen Gründen nicht zugelassen werden.» Auch Dashcam-Videos sollen ihrer Meinung nach vor Gericht zählen: «Man ist doch froh über jeden Beweis, mit dem der Täter überführt werden kann», sagt die Polizistin. Dass der Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen wird, sei das Wichtigste. Heute könne man jeden anzeigen, wenn man wolle. Dann stehe halt meist Aussage gegen Aussage. «Mit einem Dashcam-Video hätte man einen handfesten Beweis.»

Schon vor dem Urteil hatte Rechtsprofessor Arnold Rusch für die Zulassung plädiert: «Beweisverwertungsverbote haben ein ungeheures Frustrationspotenzial», sagte Rusch zum «Bund». Für die Beweisführung seien Aufnahmen von Dashcams ein extrem wertvolles Werkzeug, denn die Aussagen von Beteiligten, Mitfahrern und anderen Zeugen würden sich gerade auch bei Unfällen oft als unpräzise und interessengesteuert erweisen.

Dashcams könnten zu Selbstjustiz ermuntern

Auf die Bremse steht SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner: «Wenn wir die Dashcam-Videos als Beweis zulassen, gibt es einen Haufen Hilfssheriffs, die jede kleine Geschwindigkeitsübertretung melden und die Autofahrer kriminalisieren.» Auch die Anwältin des Rasers argumentierte laut «Bund» in diese Richtung: Flächendeckende Aufnahmen von Privatpersonen im öffentlichen Raum würden an Selbstjustiz grenzen.

Auch Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli ist für eine strenge Handhabung der Dashcams vor Gericht. «Die Verwendung von privaten Aufnahmen als Beweismittel sollte nicht erlaubt sein, sonst haben wir bald eine Massenüberwachung auf den Strassen.» Eine Ausnahme solle nur bei sehr schweren Straftaten gemacht werden. Sinnvoll seien Dashcams auch dann, wenn sie etwa von einer Versicherung installiert würden, die nur im Schadensfall Zugriff habe, der Fahrer aber nicht auf die Videos zugreifen könne. «Das wäre eine auf den Fahrer ausgerichtete Massnahme und hätte eine disziplinierende Wirkung. Und der Fahrer kann die Aufnahmen nicht für Selbstjustiz verwenden.»

Dashcam-Videos sind Problem für Datenschutz

Momentan sind Dashcams in der Schweiz weder explizit erlaubt noch verboten. «Tendenziell geht man in der Schweiz davon aus, dass solche Aufnahmen aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch sind», sagt der Zürcher Anwalt Martin Steiger. Klar gegen den Einsatz sprach sich der eidgenössische Datenschutzbeauftragte aus.

Ausnahmen in der Rechtsprechung gibt es laut Steiger bei schweren Straftaten, die das Interesse des Datenschutzes überwiegen würden. Das Gericht urteilte in diesem Fall jedoch: «Die gefilmten Verkehrsregelverletzungen, obwohl sie mutmasslich grob waren, stellen keine schwerwiegenden Straftaten dar.»

Kein Weiterzug vor Bundesgericht

Die Bezirksstaatsanwaltschaft Innerschwyz teilt mit, dass man den Fall nicht weiter ans Bundesgericht ziehen wolle. Grund für den Entscheid ist: «Das Kantonsgericht ging davon aus, dass eine grobe Verkehrsregelverletzung mit abstrakter Gefahr für die Sicherheit anderer vorlag, aber keine konkrete Gefährdung von Drittpersonen.» Daher sei die private Aufnahme nicht als Beweismittel zugelassen worden.

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