Islamismus
Hinrichtungsvideo als Klickhit: Polizei kriegt Bilder nicht aus dem Netz

Gewaltaufruf von Islamisten: Ein Winterthurer Imam verbreitet ein Hinrichtungsvideo, gegen dessen Verbreitung die Polizei bislang machtlos ist. Am Donnerstag muss er vor Gericht antraben.

Andreas Maurer
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Der Angeklagte war ein Prediger in der mittlerweile geschlossenen An-Nur-Moschee in Winterthur. (Archivbild)

Der Angeklagte war ein Prediger in der mittlerweile geschlossenen An-Nur-Moschee in Winterthur. (Archivbild)

KEYSTONE/WALTER BIERI

Einer der Prediger der inzwischen geschlossenen Winterthurer An-Nur-Moschee steht am Donnerstag vor dem Bezirksgericht. Es handelt sich um einen 25-jährigen Asylsuchenden aus Somalia. Zum Hauptanklagepunkt hat die Staatsanwaltschaft wenig herausgefunden. Sie wirft ihm vor, zu Gewalt aufgerufen zu haben. In einem Freitagsgebet habe er 2016 vor rund 60 Personen unter anderem ein Zitat aufgesagt, wonach Muslime, die nicht in der Gemeinschaft beten, in ihren Häusern zu verbrennen seien.

Bei der Festnahme stiessen die Ermittler auf belastendes Material für weitere Anklagepunkte. Auf dem Facebook-Account des Islamisten fanden sie ein Hinrichtungsvideo, das er auf einer öffentlich zugänglichen schwedischen Facebook-Seite gefunden und mit dem Gefällt-mir-Knopf weiterverbreitet hatte. Deshalb ist er nun auch wegen Gewaltdarstellungen angeklagt. Inzwischen hat er sich davon distanziert und das Video gelöscht.

85 000 Klicks und 5000 Likes

Recherchen zeigen, dass die ursprüngliche Version des Videos auf der schwedischen Facebook-Seite weiterhin online zugänglich ist. Das Video wurde dort bereits 85 000-mal angeschaut und 5000-mal geteilt. Eigentlich müssten folglich nicht nur der jugendliche Prediger angeklagt werden, sondern auch 4999 weitere Gewaltfreaks. Beim Prozess wird es um eine Grundsatzfrage gehen, die für alle extremistischen Szenen von Bedeutung sein wird: Ab wann ist ein Klick auf illegale Gewaltdarstellungen strafbar?

Das erste Urteil zu einem Facebook-Like fällte das Zürcher Bezirksgericht im Frühling. Es verurteilte einen Tierrechtsaktivisten wegen übler Nachrede, weil er einen ehrverletzenden Beitrag über den Tierschützer Erwin Kessler mit dem Facebook-Daumen weiterverbreitet hatte. Er beschimpfte ihn als Rassisten. Verfasst wurde die Äusserung von einer anderen Person. Die Tat des Verurteilten bestand im Klick auf den Like-Button. Er hat das Urteil angefochten, weshalb es nicht rechtskräftig ist.

Im Fall des Winterthurer Imams ist die Konstellation eine ähnliche. Der Angeklagte hat mit dem digitalen Daumen nach oben gezeigt und dadurch illegale Gewaltdarstellungen verbreitet. Unter Juristen ist umstritten, ob das für eine Verurteilung reicht.

Sein Verteidiger Urs Vögeli sagt: «Es wirkt seltsam, wenn das angebliche Gewaltvideo nach wie vor frei verfügbar ist und nun eine einzelne Person zur Verantwortung gezogen werden soll, welche sich erst noch ausdrücklich von dessen Inhalt distanziert hat.»

Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt von St. Gallen und Strafrechtsdozent, sagt: «Die Idee ist relativ neu, schon das Liken von solchen Videos zu bestrafen. An sich finde ich die Idee gut.» Allerdings hätten die Staatsanwälte nicht die Kapazität, um alle möglichen Leute zu verfolgen, die ein strafbares Video liken. In krassen Fällen könne das aber durchaus Sinn machen.

Medienanwalt Martin Steiger teilt die Einschätzung der Staatsanwälte. Er würde juristisch sogar noch weiter gehen: «So kann bereits das nicht gezielte Speichern eines solchen Videos, wie es beim Surfen in App oder Browser ohne Weiteres erfolgt, als Herstellung zum Eigenkonsum strafbar sein.» Nach dieser Interpretation wäre nicht nur der Klick auf den Like-Button, sondern schon jener auf das Play-Symbol eines Videos mit illegalem Inhalt eine Straftat.