E-Voting in der Schweiz weiterhin ohne Transparenz, aber …

Im Mai 2011 führte unsere Anfrage bei der Schweizerischen Bundeskanzlei zur Sicherheit von E-Voting (Vote électronique) mit Blick auf die Eidgenössischen Wahlen 2011 zu nervösem Schweigen. Im Juli 2011 gelangten wir deshalb auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes erneut an die Bundeskanzlei – wiederum erfolglos.

E-Voting weiterhin ohne Transparenz, aber …

In der Folge ersuchten wir beim zuständigen Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) um Schlichtung, wie sie das Öffentlichkeitsgesetz vorsieht. Mit etwas Verzögerung fand die entsprechende Schlichtungsverhandlung vor rund zehn Tagen statt. Leider sahen sich die Vertreter der Bundeskanzlei auch in diesem Rahmen nicht in der Lage, die gewünschte Transparenz beim E-Voting in der Schweiz zu schaffen – insbesondere mit Verweis auf die beteiligten Kantone, in denen E-Voting unter Aufsicht der Bundeskanzlei stattfindet, und die sich auf ausdrückliche Nachfrage der Bundeskanzlei hin gegen Transparenz zum jetzigen Zeitpunkt aussprachen. Damit konnte sich die Bundeskanzlei erfolgreich auf eine Ausnahme im Öffentlichkeitsgesetz berufen, die vorsieht, dass das Öffentlichkeitsprinzip auf Bundesebene unter anderem nicht gilt, falls das Verhältnis von Bund und Kantonen beeinträchtigt werden könnte.

… ein Schlichtungsergebnis und in Zukunft allenfalls mehr Transparenz?

Erfreulicherweise blieb die Schlichtungsverhandlung durch die Vermittlung des vom EDÖB delegierten Schlichters sowie durch unser Bestreben, eine Schlichtung zu erzielen anstatt den Rechtsweg ans Bundesverwaltungsgericht anzustreben, nicht völlig ohne Ergebnis:

Die Vertreter der Bundeskanzlei zeigten sich einerseits in den Gesprächen während der Schlichtungsverhandlung an mehr Transparenz beim E-Voting interessiert und bekundeten, dieses Anliegen gegenüber den Kantonen einzubringen sowie ihre eigene Kommunikation weiter zu verbessern. Gleichzeitig war es wertvoll, mit Anina Weber die E-Voting-Projektleiterin beim Bund im Rahmen der Schlichtungsverhandlung persönlich kennenzulernen und dabei neues Wissen zu gewinnen, beispielsweise durch ihren Verweis auf einen lesenswerten Artikel über das halb offene E-Voting-System im Kanton Genf (PDF-Datei). Andererseits erzielten wir ein formelles Schlichtungsergebnis (PDF-Datei), wonach ich als Vertreter von DirekteDemokratie.com zwei Mal von der Bundeskanzlei zu Informationsgesprächen über die Sicherheit von E-Voting empfangen werde und die Bundeskanzlei ausserdem versuchen wird, im Kanton Zürich einen Fachkontakt bezüglich E-Voting zu vermitteln. Ein Fachkontakt im Kanton Zürich ist aus unserer Sicht besonders wichtig, weil das «Zürcher System» für E-Voting in verschiedenen weiteren Kantonen Verwendung findet.

Fazit

E-Voting bleibt in der Schweiz vorläufig eine «Black Box». Man muss weiterhin darauf vertrauen, dass die zuständigen schweizerischen Behörden bei Bund und Kantonen trotz fehlendem Öffentlichkeitsprinzip beim E-Voting aus eigenem Pflichtbewusstsein Abstimmungen und Wahlen gewährleisten, die den Anforderungen eines demokratischen Rechtsstaates ausreichend entsprechen. Letztlich besteht aber nur bei vollständiger Transparenz überhaupt die Möglichkeit, dass E-Voting jenseits der heutigen beschränkten Versuchsanordnungen die bestehenden Möglichkeiten zur Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen per Brief und an der Urne ergänzen oder gar ersetzen kann. Vertrauen allein hat sich bei Abstimmungen und Wahlen noch nie bewährt; ein demokratisch legitimierter Rechtsstaat setzt deshalb entsprechende Transparenz und Kontrollen voraus.

Die Eidgenössischen Wahlen 2011 wurden soeben abgehalten und wir scheiterten mit unserem Anliegen, diesbezüglich Transparenz beim E-Voting zu schaffen. Wir werden das Ziel der Transparenz beim E-Voting aber weiterhin verfolgen – unter anderem mit den Informationsmöglichkeiten direkt bei der Bundeskanzlei, die sich als Schlichtungsergebnis wie oben beschrieben ergaben, nach Möglichkeit aber auch mit anderen interessierten Kreisen. Wir hoffen ausserdem, dass die E-Voting-Verantwortlichen bei Bund und Kantonen zunehmend sowohl die Notwendigkeit und als auch den (eigenen) Nutzen von Transparenz beim E-Voting erkennen werden, so dass Schritt für Schritt eine diesbezügliche Öffnung stattfindet. Die Direkte Demokratie in der Schweiz soll auch mit Bezug auf das E-Voting Vorbildcharakter geniessen.

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