Am Recherchetag 19 der Journalistenschule MAZ sprach Rechtsanwalt Martin Steiger darüber, wie Journalisten sich und ihre Informanten beziehungsweise Quellen beim unfreiwilligen Kontakt mit der Polizei schützen können.
Unter dem Titel «Wenn die Polizei am Morgen um 6 Uhr klingelt» zeigte Martin Steiger aufgrund von zahlreichen Beispielen aus der Praxis, wie Hausdurchsuchungen und Einvernahmen ablaufen. Ausserdem lernten die anwesenden Journalistinnen und Journalisten, wie es möglich ist, in einer solchen Situation kein Eigengoal zu schiessen und erst einmal Zeit zu gewinnen, um tief Luft für das weitere Verfahren zu holen.
Empfehlungen für Hausdurchsuchungen und Einvernahmen
Ein Handout am MAZ-Recherchebrachte die Empfehlungen wie folgt auf den Punkt:
- Beim unfreiwilligen Kontakt mit der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden – egal an welchem Ort und um welche Tageszeit – ist es wichtig, nach Möglichkeit die Ruhe zu bewahren: «Don’t panic!»
- Wer die Aussage und Mitwirkung erst einmal verweigert, kann die Ausgangslage in einem Strafverfahren erheblich verbessern – auch wenn man genau zu wissen glaubt, worum es geht oder wenn man sich für unschuldig hält. Das Aussageverweigerungsrecht ist ein Grund- und Menschenrecht. Die Aussage und Mitwirkung zu verweigern, ist anspruchsvoll. Aber wer aussagt und mitwirkt, riskiert fast immer, sich zu schaden. Strafverfahren entscheiden sich meist nicht vor Gericht, sondern im Verfahren bei Polizei und Staatsanwaltschaft.
- Wenn Daten, Gegenstände oder Unterlagen beschlagnahmt werden, sollte im Zweifelsfall die sogenannte Siegelung sofort verlangt werden, damit eine Einsicht / Verwendung durch die Sicherheitsbehörden nicht ohne weiteres möglich ist. Die Siegelung kann zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr wirksam verlangt werden.
- Wer in ein Strafverfahren verwickelt ist, benötigt so bald wie möglich die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt beziehungsweise Strafverteidiger. Beschuldigte Personen haben von Anfang an einen Anspruch auf Verteidigung («Anwalt der ersten Stunde»). Es hilft, wenn man im Ernstfall weiss, wohin man sich wenden kann. In vielen Kantonen gibt es ein Pikett Strafverteidigung, unter anderem im Kanton Zürich.
- Journalisten müssen den Quellenschutz – und seine Grenzen! – kennen. Journalisten sollten im Zweifelsfall erst einmal die Aussage und Mitwirkung verweigern sowie die Siegelung verlangen. Journalisten können sich grundsätzlich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen und der Quellenschutz ist ein Siegelungsgrund.
- Journalisten müssen ihre Quellen rechtzeitig auf den unfreiwilligen Kontakt mit der Polizei und sonstigen Sicherheitsbehörden vorbereiten. So gilt der Quellenschutz zum Beispiel für Daten, Gegenstände und Unterlagen unabhängig davon, wo sie sich befinden – auch bei beschuldigten Personen und Dritten.
- Im Überwachungsstaat werden alle – auch Journalisten und ihre Quellen – ohne Anlass und Verdacht überwacht. Operations Security (OpSec) – insbesondere sichere Kommunikation – ist deshalb von grösster Bedeutung, aber auch sehr anspruchsvoll. OpSec muss von Anfang an berücksichtigt werden, denn ein einziger Fehler – allenfalls vor Jahren – genügt, um enttarnt zu werden.
Ausgewählte weitere Informationen
- Dominique Strebel: Quellenschutz in 11 Schritten (MAZ-Recherchetag 15)
- Dominique Strebel: Quellenschutz konkret (MAZ-Recherchetag 16)
- Digitale Gesellschaft et al.: Eine kurze Anleitung zur digitalen Selbstverteidigung
- Linus Neumann / Thorsten Schröder: OpSec für Datenreisende (35. Chaos Communication Congress, 35C3)
Am MAZ in Luzern findet regelmässig der Kurs «Informantennetze knüpfen und Quellen schützen» statt, zum nächsten Mal am 28. November 2019. Der Kurs wird von Fachpersonen der Digitalen Gesellschaft in der Schweiz durchgeführt.
Bild: MAZ.