Geheimsache «E-Voting» in der Schweiz

Vor einigen Wochen hat der Schweizerische Bundesrat anlässlich der Nationalratswahlen vom 23. Oktober 2011 einen weiteren E-Voting-Versuch bewilligt – obwohl dem Bundesrat die Untauglichkeit von E-Voting für demokratisch legitimierte Wahlen bekannt sein müsste, gerade auch mit Blick ins Ausland

E-Voting als «Black Box»

In der Schweiz besteht ein wesentliches Problem im Bezug auf E-Voting darin, dass bislang keinerlei Transparenz herrscht und E-Voting als «Black Box» ohne öffentliche Kontrolle funktioniert:

Black Box

Anfang Mai 2011 stiess unsere Medienanfrage zur E-Voting-Sicherheit bei der Schweizerischen Bundeskanzlei auf nervöses Schweigen. Nun versuchten wir Informationen zur oben erwähnten bundesrätlichen Genehmigung zu erhalten und gelangten deshalb mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz erneut an die Bundeskanzlei. Wir baten in unserem Gesuch um Einsicht in amtliche Dokumente der Bundeskanzlei zur bundesrätlichen Genehmigung sowie sonstige Dokumente bezüglich E-Voting anlässlich der Nationalratswahlen sowie um die Auflistung von Dokumenten bezüglich E-Voting in der elektronischen Geschäftsverwaltung (GEVER) seit 2007 – letzteres, weil die Bundeskanzlei auf Ihrer Website seit 2006 keine E-Voting-Dokumente veröffentlicht hat. Dokumente des Bundesrates selbst sind vom Öffentlichkeitsprinzip gemäss Öffentlichkeitsgesetz leider ausgenommen.

Kein Öffentlichkeitsprinzip für E-Voting

Die Antwort der Bundeskanzlei durch deren Juristin und Projektleiterin «Vote électronique» Anina Weber fiel mehrfach ablehnend aus:

  • Die verlangten Dokumente enthielten sensible, für die Demokratie und damit für die innere Sicherheit wichtige und schützenswerte Daten zu den einzelnen Vote électronique-Systemen; es könnte die innere Sicherheit der Schweiz durch die Herausgabe gefährdet werden.
  • Die E-Voting-Gesuche der Kantone seien als vertraulich klassifiziert und es würde das Verhältnis von Bund und Kantonen beeinträchtigen, wenn der Bund diese Dokumente herausgeben würde. Ausserdem bestünden diesbezüglich Vertraulichkeitsvereinbarungen mit den Kantonen.
  • Unser Gesuch sei nicht hinreichend genau formuliert; ohne weitere Präzisierungen gelte des Gesuch deshalb als zurückgezogen. Gleichzeitig sei die gewünschte Auflistung von E-Voting-relevanten Dokumenten in der GEVER nicht möglich, da diese Auflistung eine grosse Anzahl an vertraulichen Dokumenten enthalten würde und deshalb selbst innerhalb der Bundeskanzlei nur einem sehr beschränkten Personenkreis zugänglich sei. Auch auf Nachfrage hin hielt die Bundeskanzlei daran fest, die Angaben zu den verlangten Dokumente müssten identifiziert oder zumindest präzisiert werden, was aber ohne die GEVER-Auflistung gar nicht möglich ist.

Anstelle der verlangten Dokumente stellte die Bundeskanzlei ihren «Anforderungskatalog für Nationalratswahlen mit Vote électronique» zur Verfügung (Microsoft Word-Datei wie von der Bundeskanzlei erhalten). Die Sicherheit von E-Voting wird darin nicht thematisiert.

E-Voting ohne Vertrauensgrundlage

Wir bedauern, dass die Bundeskanzlei weiterhin jegliche Transparenz bezüglich E-Voting verweigert und nicht einmal bereit ist, die für ein ausreichend präzisiertes Gesuch notwendige GEVER-Auflistung zur Verfügung zustellen. Sie setzt sich damit dem Verdacht aus, E-Voting verdiene tatsächlich nicht das notwendige Vertrauen und präsentiert sich als Verwaltungsbehörde, die sich einer öffentlichen Kontrolle verweigert.

Wir klären momentan ab, ob ein Schlichtungsgesuch an den zuständigen Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) sinnvoll ist.

Bild: Black Box, Flickr/artdecodude, CC BY-Lizenz.

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Ein Kommentar

  1. Maurus Zimmermann
    Erstellt am 28. Oktober 2011 um 13:43 | Permanent-Link

    Selbst die Atomindustrie rückt ein paar Dokumente raus, wenn auch geschwärzt. Was hat die Bundeskanzlei zu verbergen, was haben die Kantone zu verbergen?

    http://www.beobachter.ch/justi.....kel/18680/

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