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Sind Dashcam-Videos als Beweis zulässig?

Rechtlich umstritten: Eine am Rückspiegel angebrachte Dashcam.

Auf der Autobahn bei Goldau SZ überholte im Herbst 2015 ein BMW-Fahrer auf der rechten Spur zwei links fahrende Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit. Ein Manöver, das als grobe Verletzung der Verkehrsregeln strafbar ist, mangels Beweisen aber oft keine Folgen hat. Nicht so im Fall des in Innerschwyz wohnhaften Mannes: Ein Fahrlehrer filmte das verbotene Manöver mit einer Dashcam, wodurch die Polizei den Lenker überführen konnte. Ein klarer Fall also – wenn da nicht die knifflige Frage wäre, ob mittels in Autos angebrachten Videokameras gemachte Aufnahmen überhaupt als Beweis vor Gericht zulässig sind. Im Fall des BMW-Fahrers hat das Schwyzer Kantonsgericht dies nun verneint und den Mann freigesprochen.

Die Verwendung von Dashcams ist in der Schweiz weder explizit erlaubt noch verboten. Private Aufnahmen im öffentlichen Raum können aber gegen das Datenschutzgesetz verstossen. Ob dies bei Dashcam-Aufnahmen der Fall ist, die zwecks Beweisführung bei möglichen Unfällen gemacht werden, ist ungeklärt. «In der Tendenz geht man in der Schweiz davon aus, dass solche Aufnahmen aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch sind», sagt der Zürcher Anwalt Martin Steiger. Klar gegen eine Zulässigkeit sprechen sich sowohl der eidgenössische wie auch kantonale Datenschutzbeauftragte aus. Auf den Einsatz von Dashcams auf öffentlichem Grund sei zu verzichten, weil Aufnahmen, die Personen erkennen lassen, schwerwiegende Verstösse gegen die im Datenschutzgesetz verankerten Grundsätze der Transparenz und der Verhältnismässigkeit seien. Aber auch die gegenteilige Meinung wird vertreten: Solange die Dashcam-Daten nicht anderweitig als zur Beweisführung verwendet und rasch wieder gelöscht werden, liege nur ein geringer Eingriff in die Privatsphäre vor.

Unzuverlässige Zeugen

Werden die Aufnahmen als unzulässig eingestuft, ist damit noch nicht gesagt, ob sie vor Gericht nicht doch zulässig sind. In diesem Fall müssen die Richter aber die Interessen der Öffentlichkeit und der Betroffenen gegeneinander abwägen. Wieso das Schwyzer Kantonsgericht die Aufnahmen des Fahrlehrers nicht zuliess, wird erst aus der schriftlichen Begründung des Urteils hervorgehen, die noch nicht vorliegt. Erst danach wird die Staatsanwaltschaft beschliessen, ob sie den Entscheid ans Bundesgericht weiterzieht – was für eine Klärung sorgen könnte.

Sofern sich die Gerichte grundsätzlich gegen den Einsatz von Dashcams und die Verwendung der Daten vor Gericht stellen, könnte dies eine politische Debatte über eine gesetzliche Regelung auslösen. So sagt der Freiburger Rechtsprofessor Arnold Rusch: «Beweisverwertungs-Verbote haben ein ungeheures Frustrationspotenzial.» Gerade im Strassenverkehr ist die Beweisführung oft schwierig, was ein Beispiel aus Basel belegt: Ein Autofahrer, dem eine Fussgängerin vors Auto lief, wurde von der Staatsanwaltschaft per Strafbefehl verurteilt. Vor Gericht konnte er sich wohl nur dank der Aufnahmen seiner Dashcam erfolgreich verteidigen. «Für die Beweisführung sind Dashcam-Aufnahmen ein extrem wertvolles Werkzeug», sagt Rusch, denn die Aussagen von Beteiligten, Mitfahrern und anderen Zeugen erwiesen sich gerade auch bei Unfällen oft als unpräzise und interessengesteuert.

Möglich ist auch, dass die Gerichte den Einsatz der Dashcams billigen. In Deutschland entwickelt sich die Rechtsprechung derzeit eher in diese Richtung: In der Mehrheit der erstinstanzlichen und auch in ersten zweitinstanzlichen Fällen wurden die Aufnahmen als Beweismittel zugelassen. So gewichtete das Oberlandesgericht Stuttgart die Schadenersatzansprüche eines Geschädigten in einem Urteil vom Montag höher als den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Gefilmten.

Anders als bei Unfällen spielt bei der Dokumentierung von Straftaten durch Dritte noch eine weitere Überlegung eine Rolle: Die Rede ist in diesem Zusammenhang immer wieder von «Hilfssheriffs», die «Selbstjustiz» betreiben würden. Auch die Anwältin des Schwyzer BMW-Lenkers argumentierte in diese Richtung: Flächendeckende Aufnahmen von Privatpersonen im öffentlichen Raum würden an Selbstjustiz grenzen.