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Wie ein Club seine Facebook-Fans transferierte

Wer die Facebookgruppe des Berner Nachtclubs Rondel geliked hatte, wurde auf die Seite «We love Techno» gezügelt. Diese hatte plötzlich knapp 18'000 Likes.

Der Auslöser dieser Geschichte ist ein Konkurs. Am 13. Juni 2017 deponiert die Le Club Gastro GmbH, die Betreiberfirma des Berner Clubs Rondel, ihre Bilanz. Nach zweieinhalb Jahren in der Verantwortung können die neuen Zürcher Besitzer des Lokals die Rechnungen nicht mehr bezahlen.

Das Rondel ist im Berner Nachtleben eine bekannte Grösse. Zentral gelegen an der Genfergasse, regelmässige Auftritte von prominenten DJs, lange Vorgeschichte, kurz: Ein Club, beliebt beim Partyvolk. Das zeigt sich auch auf Facebook, wo das Rondel Anfang Juni noch über 12'000 Fans hat.

Wer heute die Facebook-Seite des Clubs Rondel aufruft, bekommt eine Fehlermeldung. «Diese Seite ist nicht verfügbar», heisst es da. Und: «Entweder funktioniert der angeklickte Link nicht oder die Seite wurde entfernt.» Entfernt wurde die Seite tatsächlich. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn einfach so verschwunden sind die 12‘000 Facebook-Fans des Rondel nicht.

Plötzlich 10'000 Likes mehr

Die Aufmerksamkeit von 12'000 Partygängern aus dem Raum Bern hat einen Wert. Diesen Wert erkannt hat Konzertveranstalter Marco Rosser. Mit seiner Firma Sack-Stark Entertainment GmbH war er über den Winter 2016/2017 auf Mandatsbasis Geschäftsführer des Rondel. Zu den Einzelheiten der folgenden Vorgänge will er auf telefonische Anfrage keine Stellung nehmen.

Auch Pius Portmann, Vorsitzender der Le Club Gastro GmbH, war für eine Stellungnahme weder schriftlich noch telefonisch erreichbar. Entsprechend bleibt unklar, ob bei diesem Deal Geld geflossen ist respektive ob überhaupt beide Parteien mit dem Vorgehen einverstanden waren.

Marco Rosser veranstaltet unter dem Label «We love Techno» Grosskonzerte in Bern, meist in der Grossen Halle der Reitschule. Auch er ist mit seinem Label auf Facebook aktiv. «We love Techno Schweiz» hatte Mitte Juni gut 8000 Likes. Heute sind es fast 18'000. Was ist also passiert?

Die Seite des Rondel wurde mit der Seite von «We love Techno Schweiz» zusammengeführt. Diese Funktion stellt Facebook seinen Nutzern unter drei Bedingungen zur Verfügung: 1) Man muss Administrator beider Seiten sein. 2) Die beiden Seiten haben einen ähnlichen Namen und dasselbe Thema. 3) Wenn die Seiten einen realen Standort haben (z.B. der Sitz einer Firma), muss dieser identisch sein.

Der User erfährt nichts

Der Vorgang beginnt wenige Tage vor der Konkurseröffnung. Anfang Juni überarbeiten die Administratoren der Rondel-Facebook-Seite ihre Angaben. Unter anderem wird die Adresse geändert. Im Verlauf des Monats wird die Seite zweimal umbenannt. Zuerst in «We love Techno Switzerland», dann in «We love Techno Schweiz 2».

Nach der zweiten Umbenennung stellen die Administratoren den Antrag auf eine Zusammenführung mit der Seite «We love Techno Schweiz». Die Facebook-Prüfer finden keine Verstösse gegen ihre Richtlinien. Sie geben den Deal frei. Tausende Menschen sind nun Fans einer Seite, die sie gar nie gelikt haben. Von den Vorgängen informiert wurden sie nicht. Angesprochen auf ihr Like reagieren die betroffenen User erstaunt. Das sei frech, sagt einer. Er möge gar kein Techno, sagt ein anderer.

Es gibt keine Richtgrösse

Der Fall wirft interessante Fragen auf. Zum Beispiel: Was für einen Wert hat eine Facebook-Community? Laut dem Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger, der sich schwerpunktmässig mit Recht im digitalen Raum befasst, hat eine Fanseite durchaus ihren Wert. «Aber dieser wird kaum je bilanziert», sagt Steiger. Entsprechend gibt es beim vorliegenden Fall keine wirkliche Richtgrösse.

Zwar kann man Likes kaufen - 1000 deutsche Fans kosten auf der Website likeskaufen.eu beispielsweise 71,39 Euro. Aber bei diesen Fans handelt es sich um keine definierte Zielgruppe. Eine Community mit so klar definierten Interessen wie jene des Rondel ist entsprechend um ein Vielfaches wertvoller.

Trotzdem sei es schwierig, den effektiven Nutzen dieser Aktion abzuschätzen, so Steiger. «Die Seite hat nun viele Fans, die gar nicht Fan sein wollen. Wenn man diesen Fans Inhalte zeigt, die sie gar nicht sehen wollen, sind sie mit einem Klick wieder weg.» Es komme zwar immer wieder vor, dass Facebook-Seiten verkauft werden. «Aber normalerweise werden diese Seiten nicht zusammengeführt, sondern eigenständig weitergeführt», sagt Steiger.

Rein rechtlich dürfte die Aktion aber sauber sein, vorausgesetzt, alle Beteiligten waren mit dem Vorgehen einverstanden. Ob die neuen Facebook-Fans die Aktion goutieren und der Seite treu bleiben, werden hingegen erst die kommenden Wochen zeigen.