
Nein, mit der «smarten Brille» von Meta und Ray-Ban ist keine Personenerkennung möglich. Die Meldung, die in diesen Tagen kursiert, ist eine Falschmeldung.
Der SPIEGEL, das ehemalige «Nachrichtenmagazin», beispielsweise schreibt unter dem Stichwort «Instant-Gesichtserkennung» (Archivkopie):
«Studenten nutzen Metas smarte Brille zur Identifikation von Passanten Ein Blick reicht, und die Brille spuckt aus, wer die Person ist, die man gerade anschaut, samt Adresse, Telefonnummer und Biografie. […].»
Das ist nicht richtig.
Die «smarte Brille» von Meta und Ray-Ban ist aktuell nicht in der Lage, Personen zu erkennen.
Die «smarte Brille» verfügt aber über eine Kamera – und die Bilder dieser Kamera können ausgewertet werden.
Diese Auswertung, zum Beispiel zur Gesichtserkennung oder Personenerkennung, ist mit jeder Art von Bildmaterial möglich. Man könnte genauso Bildmaterial, das mit einem Smartphone gefilmt wurde, auswerten.
Die Verwendung der «smarten Brille» als Kamera erfolgt ausschliesslich, um Aufmerksamkeit zu generieren – was hervorragend funktioniert hat, wie die zahlreichen Falschmeldungen in vielen Medien zeigen.

Das Ergebnis der ausgewerteten Bilder erscheint denn auch nicht auf der «smarten Brille» von Meta, sondern auf einem Smartphone.
Die Personenerkennung erfolgt mit dem bekannten Dienst PimEyes.
Bei PimEyes kann man Bilder hochladen und erhält in der Folge allfällige Personen-Treffer aus dem gesamten öffentlich zugänglichen Internet («Reverse Image Search»). Die Treffer bei PimEyes können ausgewertet und mit Daten aus weiteren Quellen ergänzt werden.
PimEyes erlangte im deutschsprachigen Raum in letzter Zeit eine gewisse Bekanntheit, weil die Software mutmasslich von der Stadtpolizei Zürich eingesetzt wird und Medienschaffenden geholfen hatte, Bilder zu finden, welche die RAF-Terroristin Daniela Klette zeigen.
Die beiden erwähnten Studierenden, AnhPhu Nguyen und Caine Ardayfio, zeigen im Wesentlichen einmal mehr, wie eindrücklich gut PimEyes funktioniert.
Datenschutzrechtlich ist das Vorgehen – zurückhaltend formuliert – äusserst problematisch, unabhängig von der verwendeten Kamera.
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass das allgegenwärtige Filmen und entsprechende Auswertungen, auch mit «smarten Brillen», in Zukunft normalisiert werden.
Die Möglichkeit, in Echtzeit hilfreiche Informationen über das Gesehene zu erhalten, wäre in vielen Situationen äusserst komfortabel. Gerade für ältere oder beeinträchtigte Menschen könnte die Echtzeit-Erkennung der Umgebung einschliesslich Personen die Lebensqualität erheblich erhöhen.
In den «Datenschutz-Plaudereien» diskutierten wir in Episode «DAT262 Gesichtserkennung und Gewaltmonopol 🔥» über dieses Thema:
Die Studierenden AnhPhu Nguyen und Caine Ardayfio geben übrigens offen zu, Bilder der «smarten Brille» von Meta verwendet zu haben, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Der SPIEGEL schreibt ausdrücklich in diesem Zusammenhang:
«Dass sie für ihr Projekt die smarte Brille von Ray Ban und Meta genutzt haben, begründen die Studenten damit, dass sie sich erhofften, auf diese Weise möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Man könnte die Technik auch mit jeder anderen Kamera, etwa in einem Smartphone nutzen. Der Schaden, den man damit anrichten könne, sei von der smarten Brille unabhängig. Wichtig sei nur, dass man die Aufnahmen möglichst unauffällig machen können muss.»
Genauso schreibt der SPIEGEL versteckt im Artikel, dass die «smarte Brille» allein nicht genügt, sondern nur als Kamera eingesetzt wird:
«Mit der smarten Brille allein geht das freilich nicht. Stattdessen nimmt die Software der beiden Studenten ein paar Umwege, um ans Ziel zu kommen. Es beginnt damit, dass das Videobild der Brille über Instagram gestreamt wird. Den Stream lassen sie von einer KI beobachten, die Schnappschüsse macht, sobald sie Gesichter erkennt. Diese werden dann an den Onlinedienst PimEyes weitergegeben. Der durchpflügt das Netz nach weiteren Fotos der abgebildeten Person und gibt gegen Bezahlung auch preis, auf welchen Webseiten er die Bilder gefunden hat.»
Medienschaffende fragen sich häufig, wieso ihre Inhalte – mindestens gegen Bezahlung – immer weniger gefragt sind. «Qualitätsjournalismus», wie ihn viele Medien abliefern, im vorliegenden Fall unter anderem der SPIEGEL, liefern eine offensichtliche Erklärung.
Siehe auch: I-XRAY: The AI Glasses That Reveal Anyone’s Personal Details—Home Address, Name, Phone Number, and More—Just from Looking at Them (AnhPhu Nguyen & Caine Ardayfio, Archivkopie)
Nachtrag: NotebookLM, der neue KI-Dienst von Google, hat eine sehr amerikanische, aber durchaus hörbare Podcast-Episode über diesen Beitrag erstellt.
Nach einigen Minuten wird die Podcast-Episode allerdings langweilig und die Faszination schwindet.
Bild: Meta.