So wurde im Fall Spiess-Hegglin die Gewinnherausgabe berechnet

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Wie genau berechnete das Kantonsgericht Zug die Gewinnherausgabe in seinem Entscheid vom 22. Januar 2025?

Die Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin hatte gegen den schweizerischen Medienkonzern Ringier AG am Kantonsgericht Zug auf die Gewinnherausgabe aus vier persönlichkeitsverletzenden «Blick»-Artikeln aus den Jahren 2014 und 2015 geklagt.

Mit Entscheid A1 2020 56 vom 22. Januar 2025 verpflichtete das Kantonsgericht Zug die Ringier AG, einen Gewinn von CHF 309’531.00 zuzüglich Zinsen von 5.0 % an Jolanda Spiess-Hegglin herauszugeben. Die Gewinnherausgabe ist seit dem 1. Juli 1985 in Art. 28a Abs. 3 ZGB vorgesehen.

In einem Beitrag für die Fachzeitschrift «Medialex» zeigen Rechtsanwältin Isabelle Egli und Rechtsanwalt Martin Steiger detailliert auf, wie das Gericht den Nettogewinn für die vier erwähnten Artikel berechnete.

Bild: Beispielhafte Gewichtung aus dem Entscheid A1 2020 56 des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025
Beispielhafte Gewichtung von redaktionellen Inhalten aus dem Entscheid A1 2020 56 des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025.

Sie zeigen insbesondere Schritt für Schritt, wie der Online-Werbeerlös bei «Blick Online», der Print-Werbeerlös bei «Blick» und «Blick am Abend» sowie der Erlös aus Abonnements- und Einzelverkäufen für den «Blick» berechnet wurde. Dabei korrigierte das Gericht einige Fehler der Klägerin, wobei ihm aber selbst ein – folgenloser – Rechenfehler unterlief.

Sie zeigen ferner, wie die Kosten für die Gewinnerzielung – die «Blick»-Redaktionskosten der Ringier AG – berechnet wurden und zur berechneten Gewinnherausgabe führten.

In ihrem Beitrag würdigen Egli und Steiger den Entscheid unter anderem wie folgt:

«Der Entscheid des Kantonsgerichts Zug vom 22. Januar 2025 dürfte eine gewisse Signalwirkung für den harten Boulevardjournalismus haben: Es gibt nicht nur allein rechtliche Grenzen für Medienschaffende und Verlage, wie sie immer wieder vom Bundesgericht bereits aufgezeigt wurden. Es drohen im Einzelfall auch handfeste finanzielle Folgen bei gewissen widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen. »

Und:

«Alles in allem kann dem Kantonsgericht Zug […] nicht […] vorgeworfen werden, es habe sich in seinem Entscheid nicht vertieft mit den Gewichtungswerten des Expertengutachtens von Jolanda Spiess-Hegglin auseinandergesetzt […]. Immerhin besteht die Begründung des Entscheids mehr als zur Hälfte aus der konkreten und schrittweisen Berechnung der Gewinnherausgabe. Die Gewichtungswerte werden im Entscheid im Übrigen nachvollziehbar durch einzelne Tabellen dargestellt […]. Jolanda Spiess-Hegglin und die Ringier AG haben ihre Parteigutachten bislang nicht veröffentlicht, aber die gerichtlichen Erwägungen geben einen hilfreichen Einblick in die propagierten Methoden und Modelle der Parteien. »

Und auch:

«Der erstinstanzliche Entscheid mit seinen aufwändigen, sorgfältigen und transparenten Berechnungen […] hat auch ohne Rechtskraft, ja selbst ohne eine Bestätigung durch eine höhere Instanz, eine erhebliche Wirkung. Das Kantonsgericht Zug zeigt mit dem Entscheid konkret, wie die Gewinnherausgabe berechnet werden kann. Der Entscheid ist erst einmal eine hilfreiche Anleitung für Gerichte und Medienopfer. Künftige Entscheide zur Berechnung der Gewinnherausgabe werden sich daran messen lassen müssen. »

Sie weisen aber auch darauf hin, welche Eigenschaften wehrhafte Medienopfer mitbringen müssen:

«Der Entscheid ist […] kein ‹fataler Schlag für den freien Journalismus›, wie die Ringier AG behauptete. ‹Freier Journalismus› oder überhaupt die Medienfreiheit bedeuteten noch nie, dass Medien die Menschen, über die sie berichten, beliebig in ihrer Persönlichkeit verletzen dürfen. Ohnehin bezieht sich der Entscheid auf den selten gewordenen harten Boulevardjournalismus. Die Ringier AG betont denn auch, solchen Journalismus nicht mehr zu praktizieren. »

Und:

«Die Ringier AG und andere Medien haben […] von den meisten Medienopfern in rechtlicher Hinsicht nichts zu befürchten. Der Entscheid hat auch in dieser Hinsicht eine unmissverständliche Signalwirkung, denn es zeigt, wie aufwendig das medienrechtliche Vorgehen in jeder Hinsicht ist. Die Gewinnherausgabe gemäss dem erstinstanzlichen Entscheid des Kantonsgerichts Zug mag im Betrag eindrücklich sein, führte bei Jolanda Spiess-Hegglin aber zu Anwaltskosten von über CHF 150’000.00 brutto und zu weiteren Kosten von CHF 86’480.00 brutto für das Parteigutachten […]. Dazu kommen die erforderliche Ausdauer und der grosse Zeitaufwand. Insofern hilft der Entscheid vor allem – aber immerhin – jenen Medienopfern, die sich den ganzen Aufwand leisten und die Prozessrisiken eingehen können. »

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. In zweiter Instanz wird das Obergericht des Kantons Zug über die Gewinnherausgabe entscheiden müssen.

Siehe auch:

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