Biometrische Identitätskarte mit europa­politischer Brisanz

Foto: Schweizer Identitätskarte und Pass

In der Schweiz soll die Identitätskarte mit biometrischen Angaben versehen werden – erst einmal freiwillig. Die Einführung der biometrischen Identitätskarte erfolgt im Hinblick auf das neue Rahmenabkommen mit der Europäischen Union (EU).

Den Schweizer Pass gibt es seit dem 1. März 2010 nur noch mit biometrischen Angaben, nämlich mit einem digitalen Foto und mit den Zeige­finger­abdrücken der Passinhaber. In der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 wurde die Einführung des Schweizer Passes mit biometrischen Daten mit 50.15 % Ja-Stimmen knapp angenommen.

Jetzt hat der Bundesrat beschlossen, auch die Identitätskarte mit biometrischen Angaben zu versehen:

«[Die biometrische Identitätskarte] wird – wie schon der heutige biometrische Schweizer Pass – mit einem Chip ausgestattet sein, der zwei Fingerabdrücke und ein Gesichtsbild enthält. Damit wird die künftige biometrische Identitätskarte noch besser vor Missbrauch geschützt sein. Die Einführung der neuen Identitätskarte ist per Ende 2026 geplant. Deren Bezug wird freiwillig sein.»

Die Identitätskarte, kurz ID oder IDK, ist der schweizerische Personalausweis. In der Schweiz gibt es grundsätzlich keine Ausweispflicht.

Screenshot: Vernehmlassung über die biometrische Identitätskarte

Die Einführung der biometrischen Identitätskarte erfolgt im Wesentlichen über eine entsprechende Änderung der Verordnung über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige (Ausweisverordnung, VAwG). Es besteht deshalb keine Möglichkeit für ein allfälliges Referendum gegen die Einführung.

Immerhin führt der Bundesrat eine Vernehmlassung durch. Interessierte Kreise können sich bis am 28. Februar 2026 zur geplanten Einführung der biometrischen Identitätskarte äussern.

Wie lange bleibt die biometrische Identitäts­karte freiwillig?

In seiner Kommunikation betont der Bundesrat die Freiwilligkeit und die Notwendigkeit für Reisen in die EU:

«[Die] Bürgerinnen und Bürger [werden] künftig je nach Bedarf zwischen den beiden Identitätskarten wählen können:

  • Personen, die innerhalb der EU reisen, wird die biometrische Identitätskarte empfohlen.
  • Für Personen, welche die Karte ausschliesslich als Ausweis in der Schweiz benötigen, ist die nicht biometrische Identitätskarte ausreichend.»

Wieso die biometrische Identitätskarte erforderlich sein soll, obwohl es bereits den biometrischen Pass gibt, mit dem man in die EU reisen kann, erklärt der Bundesrat in seinem erläuternden Bericht wie folgt:

«Würde die Schweiz auch künftig nur IDK ohne Chip anbieten, hätte dies im internationalen Vergleich ein unerwünschtes Sicherheitsgefälle zur Folge. Zudem könnten sich für Schweizer Bürgerinnen und Bürger praktische Erschwernisse ergeben, sollten in der EU nur noch Schweizer IDK mit Chip anerkannt werden, wie dies für alle von den EU-Ländern ausgestellten Ausweise ab 2031 bereits der Fall sein wird. Diesfalls könnten Schweizerinnen und Schweizer nur noch mit dem Pass in den und im Schengen-Raum reisen.»

Wie lange die biometrische Identitäts­karte in der Schweiz freiwillig bleibt, muss sich zeigen.

Ich gehe davon aus, dass es früher oder später auch die Identitäts­karte nur noch mit biometrischen Angaben geben wird.

Die Vorteile für Behörden, die der Bundesrat in seinem erläuternden Bericht erwähnt, dürften auch Sicherheitsbehörden in der Schweiz fordern, insbesondere die erleichterte Identitätsprüfung:

«Mit dem zusätzlichen Chip, bzw. den darin enthaltenen biometrischen Daten, wird die Fälschungssicherheit weiter erhöht und ebenso die Identitätsprüfung erleichtert. Damit werden gleichzeitig die aktuellen EU-Anforderungen an Personalausweise erfüllt.»

Immerhin ist die Freiwilligkeit der biometrischen Identitätskarte im aktuellen Ausweisgesetz (AwG) ausdrücklich garantiert (Art. 2 Abs. 2ter Satz 2 AwG):

«[Der Bundesrat] stellt sicher, dass auch eine Identitätskarte ohne Chip beantragt werden kann.»

Diese Freiwilligkeit könnte aber durch bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU in Zukunft ausgehebelt werden. Ferner war auch der Schweizer Pass mit biometrischen Daten erst einmal freiwillig.

Der Anteil der neuen Identitätskarten ohne biometrische Daten wird einen Indikator liefern, wie gross die Bedenken gegenüber biometrischen Daten tatsächlich sind.

Ich vermute, dass die meisten Schweizer Bürger der Einfachheit halber eine Identitätskarte mit biometrischen Daten wählen werden.

Screenshot: Preise für Schweizer Pass und Identitätskarte

Die biometrische Identitätskarte wird gleich viel Kosten wie die Identitätskarte ohne biometrische Daten:

«Da sich die Herstellkosten der IDK ohne und mit Chip nur um rund zwei Franken unterscheiden, können für beide Modelle identische Gebühren festgelegt werden. Bei der Festlegung der Gebühren wurde wie bisher auf die Familienfreundlichkeit geachtet. Durch eine Querfinanzierung von Kinderausweisen durch Erwachsenenausweise und von Identitätskarten durch Pässe wird weiterhin dem Äquivalenzprinzip Rechnung getragen und ein familienfreundliches Gebührenmodell beibehalten.»

Eine neue Identitätskarte wird ohnehin häufig gleichzeitig mit einem neuen – jetzt schon biometrischen – Pass bestellt. Die gemeinsame Bestellung wird durch einen weniger hohen Preis für dieses «Kombiangebot» gefördert.

Wieso ist die biometrische Identitäts­karte europa­politisch brisant?

Der Bundesrat verweist in seinem erläuternden Bericht – nicht aber in seiner Kommunikation – auf das neue Rahmenabkommen mit der Europäischen Union (EU) als Grund für die Einführung der biometrischen Identitätskarte.

Mit dem Rahmenabkommen soll unter anderem das Abkommen mit der EU über die Personen­freizügigkeit eine «Aufdatierung» erhalten. Das Rahmen­abkommen ist in der Schweiz umstritten und wird voraussichtlich Gegenstand einer Volksabstimmung sein.

«Im EU-Raum sind die Identitätskarten im Speziellen durch die Verordnung (EU) 2019/1157 geregelt. Seit ihrem Inkrafttreten im August 2021 dürfen in den Staaten der EU nur noch IDK mit Datenchip (nachfolgend kurz: Chip) neu ausgestellt werden. Ab Mitte 2031, nach Ablauf der zehnjährigen Übergangsfrist, werden im Schengen-Raum für die Ausübung der Personenfreizügigkeit nur noch IDK mit elektronisch gespeicherten biometrischen Daten anerkannt. Ab diesem Zeitpunkt werden also alle Personalausweise der EU-Mitgliedstaaten, die noch ohne Chip ausgestellt worden waren, ungültig.»

Und:

«Mit der vorgesehenen Aufdatierung des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) soll künftig die Regelung der Verordnung (EU) 2019/1157 mit angepassten Übergangsfristen auch für die Schweizer Identitätskarten Geltung erlangen. Tatsächlich wird es dann allerdings die sachlich weitgehend deckungsgleiche Verordnung (EU) 2025/1208 sein, die von der Schweiz übernommen wird. Denn der Europäische Gerichtshof hat die Verordnung (EU) 2019/1157 wegen unzutreffender Rechtsgrundlage im Jahr 2024 für ungültig erklärt.»

In der EU gibt es seit August 2021 keine Identitätskarten bzw. Personalausweise ohne biometrische Daten mehr.

Mit der Einführung der biometrischen Identitätskarte liefert der Bundesrat ein weiteres Argument gegen das neue Rahmenabkommen mit der EU. In der absehbaren Volksabstimmung könnte die biometrische Identitätskarte zu einer Ablehnung gemäss dem sprichwörtlichen «Tod durch tausend Stiche» beitragen.

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