Dürfen Tweets in Zeitungen abgedruckt werden?

Logo: Twitter

Dürfen Zeitungen wie der «Blick am Abend» veröffentlichte Tweets abdrucken, ohne die Urheber dieser Tweets vorgängig um Genehmigung zu bitten?

Meist wird versucht, diese Frage urheberrechtlich zu beantworten, was aber in die Irre führen kann:

Relevant ist nicht nur, ob ein einzelner Tweet überhaupt ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellt und inwiefern allenfalls ein Zitatrecht bestehen könnte, sondern auch, welche Regelung die Nutzungsbedingungen von Twitter vorsehen.

Wer Twitter nutzt, unterwirft sich den entsprechenden Terms of Service (Nutzungsbedingungen). Als Gegenleistung für die kostenlose Nutzung lässt sich Twitter von allen Nutzern eine kostenlose Lizenz für die weltweite Verwertung aller Nutzer-Inhalte («Content») einräumen. Diese Lizenz umfasst unter anderem auch die kostenlose Verwertung von Tweets durch Dritte wie beispielsweise Zeitungen (mit Hervorhebung durch den Autor):

«You retain your rights to any Content you submit, post or display on or through the Services. By submitting, posting or displaying Content on or through the Services, you grant us a worldwide, non-exclusive, royalty-free license (with the right to sublicense) to use, copy, reproduce, process, adapt, modify, publish, transmit, display and distribute such Content in any and all media or distribution methods (now known or later developed).

You agree that this license includes the right for Twitter to provide, promote, and improve the Services and to make Content submitted to or through the Services available to other companies, organizations or individuals who partner with Twitter for the syndication, broadcast, distribution or publication of such Content on other media and services, subject to our terms and conditions for such Content use.

Such additional uses by Twitter, or other companies, organizations or individuals who partner with Twitter, may be made with no compensation paid to you with respect to the Content that you submit, post, transmit or otherwise make available through the Services.»

Für die Verwertung durch Medien verweist Twitter auf die entsprechenden eigenen Bedingungen wie insbesondere die «Guidelines for using Tweets in broadcast» (deutschsprachige Übersetzung). Diese Richtlinien können auch auf den Abdruck von Tweets in Zeitungen angewendet werden.

Die «Guidelines» verbieten die Verwertung von Tweets für Werbung sowie Testimonials ohne Genehmigung der betreffenden Twitter-Nutzer. Ansonsten aber ist die Verwertung als Text unter folgenden Bedingungen erlaubt:

  • Twitter-Logo muss in unmittelbarer Nähe zum verwerteten Tweet und in ausreichender Grösse erscheinen;
  • Name und Nutzername (@nutzername) des Twitter-Nutzers müssen verwendet werden;
  • Tweet muss vollständig erscheinen, wobei notwendige Anpassungen aus technischen Gründen oder bedingt durch das Medium erlaubt sind (Verlinken ist in einer Zeitung beispielsweise nicht möglich);
  • Anonymisierung ist nur ausnahmsweise («in exceptional cases») wie beispielsweise zum Schutz der Privatsphäre erlaubt.

Screenshot: «Tweet des Tages» im «Blick am Abend»

Beim «Tweet des Tages» im «Blick am Abend» fehlt jeweils das Twitter-Logo, ansonsten scheinen die Richtlinien von Twitter erfüllt zu sein. Solange eine entsprechende vertragliche Beziehung mit Twitter fehlt, sind die Richtlinien für «Blick am Abend»-Herausgeberin Ringier allerdings sowieso nicht rechtsverbindlich, sondern es handelt sich tatsächlich nur um Richtlinien.


Nachtrag: Mindestens zwei deutsche Anwaltskollegen vertreten eine andere Meinung (Arno Lampmann, Thomas Stadler). Sie berufen sich allerdings auf das Urheberrecht, was wie oben erwähnt meines Erachtens in die Irre führen kann. In der Schweiz zumindest kann man auch für die Nutzung von nicht urheberrechtlich geschützten Inhalten vertragliche Regelungen vorsehen.

In Bezug auf solche vertraglichen Regelungen erwähnten die Anwaltskollegen Lampmann und Stadler die – aus schweizerischer Sicht – restriktive Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dazu hat Jannik Krone vom deutschen IPR-Blog in zwei Beiträgen einige Überlegungen veröffentlicht («Übertragung der Tweet-Verwertungsrechte an Twitter doch wirksam?», «Nachtrag zu Twitter-Nutzungsrechten: Der zwingende urheberrechtliche Vergütungsanspruch im IPR»).

8 Kommentare

  1. Frage: Bei mir steht als Name nur der Vorname. Darf eine Zeitung den vollen Namen abdrucken, auch wenn er nicht im Tweet steht, oder muss man den Namen 1:1 kopieren?

    1. @Digi Chris:

      «Darf eine Zeitung den vollen Namen abdrucken, auch wenn er nicht im Tweet steht, oder muss man den Namen 1:1 kopieren?»

      Die Twitter-Richtlinien beziehen sich nur auf Angaben bei Twitter. Ich gehe deshalb davon aus, dass beim Abdrucken von Tweets nur diese Angaben verwendet werden müssen und dürfen.

  2. In Deutschland halten (mindestens) zwei Anwaltskollegen an einer urheberrechtlichen Betrachtung fest:

    Ich bin wie oben erwähnt der Meinung, dass der Versuch einer urheberrechtlichen Antwort in diesem Zusammenhang in die Irre führen kann. Die Frage, inwiefern einzelne Tweets urheberrechtlich geschützt sind, ist zwar rechtlich gesehen auch von einem gewissen Interesse, vorliegend aber nicht relevant. Gerne geht in der rechtlichen Betrachtung auch vergessen, dass die Nutzung von Twitter und anderen kostenlosen Social Media-Plattformen auf einem Tauschhandel basiert. In der Praxis jedenfalls scheint dieser Tauschhandel auch in Deutschland zu funktionieren.

  3. Ich denke Sie haben im Grunde nicht unrecht, m.E. müsste man allerdings mehr differenzieren. Die Kurzversion des Gedankenganges finden Sie anschliessend.

    Im folgenden gehen ich von Schweizer Recht und von (kommerziellen)Schweizer Medien aus. Unbeachtlich sind dabei Blogs, Medien, etc, die ihren Inhalt unentgeltlich zur Verfügung stellen, denn das verlinken, zitieren, sich beziehen auf (ungeschützte) Tweets ist wohl i.d.R. nach Internet Usus aber auch nach URG problemlos.

    Die folgenden Erwägungen gelten deshalb für das Abdrucken von Tweets in Printmedien und die Verwendung von Tweets online, aber hinter einem so genannten Paywall.

    Die TOS von Twitter beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Twitter und dem Benutzer und zwischen Twitter und Dritten (Businesspartner von Twitter), nicht aber auf das Verhältnis zwischen Benutzer und anderen Dritten. Demzufolge kann sich ein Printmedium, das keinen entsprechenden Vertrag mit Twitter hat, bei der Verwendung von Tweets nicht auf die TOS beziehen.

    Tweets sind in der Regel öffentlich, d.h. sie können ohne weiteres zitiert, gelinkt, eingebettet (direkt oder via screenshot) werden, ohne die vorgängige Zustimmung des betreffenden «Autors» und genau hier muss man dann eben doch das URG heranziehen, speziell für die kommerzielle Verwertung um zu bestimmen, ob es sich bei einem Tweet (allenfalls mit Bild) um ein Werk im Sinne des URG handlen könnte, denn die TOS von Twitter schliessen das bestehen eines Copyrights nicht aus (9. Copyright Policy).

    Für die überwiegenden Anzahl von Tweets dürfte man allerdings wohl zum Ergebnis kommen, dass es sich, wie bei kurzen Agenturmeldungen, nicht um ein Werk i.S. URG 2 handelt und sie deshalb nicht urheberrechtlich geschützt sind. Trotzdem wird ein Medium die Prüfung wohl durchführen müssen, ob nicht doch ein urheblich geschützter Inhalt vorliegt, oder allenfalls Markenrechte verletzt werden, indem die Inhalte der Tweets kommerziell genutzt werden.

    Kurz gesagt, ist das ein interessantes Thema, bei dem ich finde, die Bezugnahme auf die Twitter TOS greifen zu kurz.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Felder mit * sind Pflichtfelder.