Visualisierung von 6 Monaten Vorratsdatenspeicherung

Bild: Ausschnitt aus der Visualisierung der Vorratsdaten von Nationalrat Balthasar Glättli

Die Metadaten der gesamten Kommunikation in der Schweiz werden durch Swisscom und andere Telekommunikationsanbieter flächendeckend und präventiv auf Vorrat gespeichert, beispielsweise wer wann und wo mit wem für wie lange telefoniert hat. Befürworter verharmlosen diese Vorratsdatenspeicherung damit, es würden keine Inhalte, sondern nur die Metadaten oder Randdaten der Kommunikation gespeichert.

Diese sträfliche Verharmlosung ist längst widerlegt, auch wissenschaftlich, denn «[…] Inhalte sagen, was wir sagen. Metadaten aber sagen, was wir tun, und was wir denken. Sie enttarnen uns und unsere Pläne, ohne dass wir es merken. Metadaten erlauben es, soziale Netzwerke aufzudecken, die Standorte von Menschen zu ermitteln und Bewegungsprofile zu erstellen.» Vorratsdatenspeicherung ist Überwachung, entgegen der Propaganda durch den Dienst «Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr» (Dienst «ÜPF»).

6 Monate Überwachung von Nationalrat Balthasar Glättli

In der Schweiz fehlte bislang ein praktisches Beispiel für die umfassenden Erkenntnisse, die sich allein schon aus den Metadaten der Vorratsdatenspeicherung gewinnen lassen. Aus diesem Grund hat der grüne Nationalrat Balthasar Glättli einen Teil seiner Vorratsdaten aus sechs Monaten zur Verfügung gestellt. Die Digitale Gesellschaft hat diese Vorratsdaten in Zusammenarbeit mit OpenDataCity und weiteren Partnern – unter anderem der «Schweiz am Sonntag» sowie Watson – für eine Visualisierung zum überwachten Leben von Balthasar Glättli aufbereitet.

Direkter Weblink: https://www.digitale-gesellschaft.ch/vds.

Die tatsächliche Vorratsdatenspeicherung geht wesentlich weiter, denn sie umfasst die Metadaten der gesamten Bevölkerung und nicht nur jene von Balthasar Glättli. So lassen sich beispielsweise allein schon aufgrund der Gesprächspartner am Telefon viele inhaltliche Erkenntnisse gewinnen, wie kürzlich Wissenschaftlicher der amerikanischen Standford-Universität aufgezeigt haben:

«[…] Anrufe gingen an Familienplanungsorganisationen, Scheidungsanwälte, an die Anonymen Alkoholiker, Gewerkschaften, Strip-Clubs, Parteizentralen oder Abtreibungskliniken. In manchen Fällen schienen die offenbarten Verbindungen und die dahinterliegenden menschlichen Schicksale derart intim zu sein, dass das Forscherteam ihnen nicht weiter nachgehen wollte und davon absah, die Teilnehmer für eine Bestätigung ihrer Vermutungen zu kontaktieren.

[…] Die vermeintlich anonymen Metadaten gaben Geheimnisse preis, die man wohl kaum einer staatlichen Datenbank anvertrauen will. Und man kann davon ausgehen, dass noch umso mehr zu erfahren ist, je länger der Beobachtungszeitraum und je größer die Zahl der Anschlüsse ist. Kein Wunder also, dass die NSA milliardenfach Verbindungsdaten über mindestens fünf Jahre hinweg speichert. […]»

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte deshalb kürzlich, die Vorrats­daten­speicherung «beinhalte einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten.» In der Schweiz hat die Digitale Beschwerde mit Verweis auf die gleichen Grundrechte Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung erhoben, seit bald drei Monaten liegt die Beschwerde beim Dienst «ÜPF» als erste Beschwerdeinstanz. Zu den Beschwerdeführern zählt auch Nationalrat Balthasar Glättli.

In Deutschland ermöglichte bereits vor einigen Jahren der grüne Politiker Malte Spitz eine Visualisierung der Vorratsdatenspeicherung. Im März 2010 erklärte das deutsche Bundesverfassungsgericht die damalige Vorratsdatenspeicherung in Deutschland für verfassungswidrig.

Siehe auch: Acht Mythen zur Vorratsdatenspeicherung von Anwaltskollege Thomas Stadler.

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