Social Media: Was gilt als öffentliche Radarwarnung?

Strassenschild: «Zone 30»

Seit dem 1. Januar 2013 ist in der Schweiz der erste Teil von Via sicura, einem staatlichen Handlungsprogramm für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, in Kraft. Im Rahmen von Via sicura wird unter anderem «bestraft, wer öffentlich vor behördlichen Kontrollen im Strassenverkehr warnt» (Art. 98a Abs. 3 lit. a SVG).

Inzwischen wurden erste Facebook-Nutzerinnen und –Nutzer wegen «öffentlichen» Radarwarnungen verurteilt.

Was gilt als «öffentliche» Radarwarnung?

Art. 98a SVG stellt (fast) alle Arten von «Warnungen vor Verkehrskontrollen» unter Strafe:

«Mit Busse wird bestraft, wer öffentlich vor behördlichen Kontrollen im Strassenverkehr warnt, […] [i]n schweren Fällen ist die Strafe [eine] Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.»

Mit «behördlichen Kontrollen» sind insbesondere Warnungen vor «Radarfallen» und anderen Geschwindigkeitskontrollen gemeint, aber was bedeutet «öffentlich» in diesem Zusammenhang?

In den parlamentarischen Beratungen zu Via sicura war «öffentlich» nicht näher definiert worden und einzelnen Parlamentariern sowie Behördenmitgliedern hatten sich nicht einheitlich geäussert. Immerhin wurde ausdrücklich erwähnt, dass Warnungen direkt von Person zu Person nicht verboten sein sollen – anders hingegen, «wenn die ganze Öffentlichkeit über Facebook, Twitter oder über Internet über Radarstellen informiert wird […].»

Erste Verurteilungen wegen «öffentlichen» Social Media-Radarwarnungen

Inzwischen wurden erste Personen wegen öffentlichen Social Media-Radarwarnungen bestraft. Da solche Radarwarnungen grundsätzlich «nur» mit Busse bestraft werden, gelten sie als Übertretungen (Art. 103 StGB) und werden deshalb im Übertretungsstrafverfahren verfolgt.

Im Kanton Zürich beispielsweise sind dafür die Statthalterämter und nicht die Staatsanwaltschaften zuständig. Die Bestrafung für eine öffentliche Radarwarnung erfolgt mit einem Strafbefehl, der eine Busse sowie die Bezahlung der Verfahrenskosten umfasst. Urteile wegen Übertretungen werden nur bei einer Busse von mehr als 5’000 Franken im Strafregister eingetragen. Bei Ersttäterinnen und Ersttätern beträgt die Busse häufig mehrere hundert Franken, dazu kommen üblicherweise Verfahrenskosten in ähnlicher Höhe.

Je nach Kanton unterscheidet sich die Strafverfolgung erheblich und es besteht Rechtsunsicherheit. Im Kanton Zürich beispielsweise geht man ab 30 Personen, an die sich eine Radarwarnung richtet, von einer «öffentlichen» Warnung aus. Im Kanton Schaffhausen hingegen informiert die Kantonspolizei sogar auf ihrer eigenen Website über Radarkontrollen.

Öffentlich zugängliche Gerichtsurteile scheint es – soweit ersichtlich – in diesem Zusammenhang noch nicht zu geben. Allerdings haben erstinstanzlich Verurteilte kaum einen Anreiz, gegen einen Strafbefehl Einsprache zu erheben, denn in den meisten Fällen dürften sie auch vor Gericht für die öffentliche Radarwarnung verurteilt werden – bloss mit höheren Kosten.

Empfehlungen

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, warnt auf Social Media jenseits von direkter Kommunikation mit anderen Personen nicht vor «Radarfallen» und anderen Kontrollen im Strassenverkehr. Wer etwas risikofreudiger ist, kann zumindest aus Sicht der Kantonspolizei Zürich weniger als 30 Personen warnen und darauf hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden an dieser Definition festhalten.

Wer mehr Risiken eingeht, muss damit rechnen, in ein Strafverfahren verwickelt zu werden. In den meisten Fällen beinhaltet ein solches Strafverfahren mindestens eine Einvernahme und endet mit einer Busse sowie der Bezahlung der Verfahrenskosten. Im Zweifelsfall sollte man sich – wie in jedem Strafverfahren – von einer Rechtsanwältin oder von einem Rechtsanwalt verteidigen lassen. Leider gewähren die meisten Rechtsschutzversicherungen für eine solche Angelegenheit keine Deckung.

Obiger Beitrag erschien in ausführlicherer und veränderter Form ursprünglich am 19. Juli 2016 bei lexwiki.ch, der schweizerischen Plattform, die Recht verständlich erklärt.

Bild: Flickr / «DennisM2», «Sign 30 km Zone», CC BY 2.0 (generisch)-Lizenz.

16 Kommentare

  1. Gilt eine durch einen Login (Username & Passwort) geschützte Webseite die vor Radarfallen warnt, als «öffentlich»?

    Haben die Privatsphäreneinstellungen auf Facebook Einfluss auf die Urteilsfindung? Als «öffentlich» würde ich nur ein Profil bezeichnen, dass direkt aufgerufen und betrachtet werden kann. Falls Warnungen im geschlossenen (digitalen) Freundeskreis von Facebook publiziert werden, wird dann noch immer von ‹öffentlich› gesprochen?

    1. @Christian M.:

      Auch eine Website, die nur für angemeldete Nutzerinnen und Nutzer zugänglich ist, kann im vorliegenden Zusammenhang «öffentlich» sein.

      Die Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook können sicherlich einen Einfluss haben. Aber ab einer gewissen Anzahl von «Freunden» kann wieder «Öffentlichkeit» im vorliegenden Zusammenhang gegeben sein.

  2. Darf die Polizei bei einer Kontrolle das Smartphone überhaupt durchsuchen ob man in einer solchen Gruppe ist? Also Facebook oder WhatsApp oder andere Apps?

      1. Herzlichen Dank. Nur als bestätigung, der Polizist darf das Handy weder konfiszieren noch meine persönlichen Nachrichten einsehen / lesen ohne den Rechtsweg!

  3. Ich bin bzw. war in einer Whatsapp Gruppe bei welcher man sich vor Verkehrskontrollen warnt. Mein letzter Eintrag, eine Warnung vor einem Blitzer, wurde mir zum Verhängnis und ich werde nun vom Statthalteramt gebüsst werden. Die Kapo hatte mich heute Morgen informiert. Wie hoch die Busse sein wird, sehe ich dann. Habe mal das ganze der Rechtschutzversichrung geschildert. Persönlich finde ich die Via Sicura Massnahmen sind teilweise grenzwertig und nur noch Geldmacherei.

  4. Ich käpfe gerade mit den Instanzen von SG wegen «Öffentlichen warnen» es handelte sich um eine Whatsapp Gruppe. Jedoch wollen und können diese Menschen vom Gericht etc mir nicht nachweisen, wieviele es gesehen haben da die Anzahl der Mitglieder nicht nachweisbar ist. Sie wollen und können nicht beweisen, dass es sich dabei um eine öffentliche Warnung gehandelt hat.
    Was ich auch sehr komisch finde und mir ein grosses Fragezeichen hinterlässt, warum darf die KaPo SG öffentlich und regelmässig vor Semistationären Radar warnen…

  5. Besten Dank für Ihren interessanten Beitrag. Wie sieht denn genau die rechtliche Lage bzw. das Verhalten der Behörden aus bei der Informationsbeschaffung innerhalb von «geschlossenen» Gruppen?

  6. Wie sieht das aus wenn man auf Bewährung ist im Strassenverkehr? Habe auf FB mehrmals vor Kontrollen gewarnt und nun den netten Anruf der KaPo erhalten. Hat diese Busse einen Einfluss auf meine Bewährung?

    1. @Ivo A.:

      Ich hoffe, Sie haben gegenüber dem (angeblichen) Polizisten am Telefon keine Aussagen getätigt. Da Sie anscheinend bereits eine «Vorgeschichte» haben, empfehle ich Ihnen, sich anwaltlich beraten zu lassen, wenn Sie auf Nummer sicher gehen möchten.

      1. Nein habe natürlich keine Aussage getätigt.
        Gut, ich danke Ihnen für die prompte Antwort und werde einen Anwalt zur Seite ziehen.
        Schönen Abend.

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