Wer als Rechtsanwalt für Opfer von mutmasslichen Straftaten mit einem Strafantrag oder mit einer Strafanzeige an eine Staatsanwaltschaft gelangt, erhält häufig während Wochen oder Monaten keine Rückmeldung. Vielfach wird man erst auf Nachhaken hin – früher oder später – über den aktuellen Verfahrensstand informiert.
In einem aktuellen Fall wegen unlauterem Wettbewerb fiel die Rückmeldung der zuständigen Staatsanwaltschaft besonders unbefriedigend aus. Der entsprechende Strafantrag war bei der Staatsanwaltschaft nicht nur während mehr als zwei Monaten «gänzlich unbearbeitet liegen geblieben» …
«Sodann teile ich Ihnen mit, dass Ihre Anzeige [sic!] bislang leider gänzlich unbearbeitet liegen geblieben ist. Daran wird sich aller Voraussicht nach in nächster Zeit – zumindest bis Ende Jahr – auch nichts ändern lassen. Zur Begründung sei darauf verwiesen, dass wir zufolge notorischer Überlastung […] bei der Bearbeitung der Verfahren notgedrungen nach objektiven Kriterien […] priorisieren müssen. […]»
… sondern die Staatsanwaltschaft bat ausserdem darum, ihr «jedenfalls bis auf weiteres keine weiteren Nachfragen / Erinnerungen […] zukommen zu lassen»:
«[…] Da periodische Nachfragen von Parteien und/oder deren Vertretern zum Verfahrensstand aus unserer Sicht unnötig ressourcenzehrenden Kommunikationsaufwand auslösen, behalte ich mir vor, diesbezüglich keine Korrespondenz mehr zu führen.»
Das Schreiben liest sich wie ein besonders dringlicher Hilferuf einer Staatsanwaltschaft, die mit ihren Aufgaben notorisch überlastet ist und deshalb zu drastischen Worten greift. Mir ist die betreffende Staatsanwaltschaft allerdings in dieser Hinsicht bislang nicht aufgefallen. Der Zürcher Kantonsrat Claudio Schmid hingegen schreibt bei Facebook, das «Amt [sei] chronisch überlastet.»
Prioritätensetzung ja, Ungewissheit nein
Als Rechtsanwalt habe ich Verständnis dafür, dass Prioritäten in der Strafverfolgung gesetzt werden müssen. Eine solche Prioritätensetzung darf aber nicht zu einem Zustand der Ungewissheit für die Opfer von mutmasslichen Straftaten führen und schon gar nicht darf ein Strafantrag erst dann überhaupt in die Hand genommen werden, wenn der betreffende Rechtsvertreter nach zwei bis drei Monaten nachhakt. So könnte eine Staatsanwaltschaft zumindest von sich aus mitteilen, wie und wann sie einen Strafantrag oder eine Strafanzeige voraussichtlich bearbeiten wird und die Akten erst danach vorläufig liegen lassen.
Umgekehrt muss man als Rechtsanwalt jederzeit damit zu rechnen, dass eine Staatsanwaltschaft eine Verfügung erlässt, auf die innerhalb einer kurzen Frist von 10 Tagen reagiert werden muss. Bei einer solchen Verfügung kann man als Rechtsanwalt nicht argumentieren, man sei notorisch überlastet, denn solche Fristen sind grundsätzlich nicht erstreckbar.
In Strafverfahren ist es jedenfalls nicht ungewöhnlich, dass man als Rechtsanwalt immer wieder bei der zuständigen Staatsanwaltschaft nachhaken muss um ein Verfahren voranzubringen – beispielsweise um zu gewährleisten, dass man über den neusten Stand bezüglich Akteneinsicht verfügt. Ein solches Nachhaken, so lästig es als Rechtsanwalt ist, gehört zu einer sorgfältigen Mandatsführung. Zum Glück gibt es auch Staatsanwälte und Staatsanwaltschaften, die von sich aus informieren, so dass man gar nicht erst nachhaken muss.
Bisweilen wird die Ansicht geäussert, solche «Erinnerungskorrespondenz» diene vor allem dazu, das anwaltliche Honorar zu erhöhen und ein Verzicht darauf sei aus Kostengründen zum Vorteil der Mandantschaft. Solche Äusserungen zeugen von fehlendem Verständnis für eine engagierte anwaltliche Vertretung, wie sie Geschädigte und Opfer in Strafverfahren zu Recht erwarten. Häufig stammen solche Äusserungen auch von Personen, die eine freiberufliche Anwaltstätigkeit nicht aus eigener Erfahrung kennen.
Bild: Flickr / Quinn Dombrowski, CC BY-SA 2.0 (generisch)-Lizenz.
In Winterthur leider ganz offiziell der Fall: http://www.landbote.ch/winterthur/standard/wir-brauchen-mehr-staatsanwaelte/story/31573338
@Karl Schaub:
Der Artikel bezieht sich auf das oben beschriebene Beispiel.