FDP vs. Deville: Wie unabhängig ist die SRG-Ombudsstelle?

Screenshot: Website der Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz mit Beitrag zur beanstandeten «Deville»-SendungWie glaubwürdig und unabhängig ist die Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz mit Dr. Esther Girsberger als Co-Ombudsfrau?

Diese Frage stellt sich in einem aktuellen Fall im Zusammenhang mit der Satire-Sendung «Deville» im Schweizer Radio und Fernsehen SRF), über welchen die «Medienwoche» berichtet.

Demnach hatte unter anderem der Zürcher FDP-Politiker Leroy Bächtold eine Beanstandung gegen Satire von Dominic Deville im Zusammenhang mit der Konzernverantwortungsinitiative eingereicht. Die FPD zählte zu Gegnern der Volksinitiative.

Die Beanstandung wurde gutgeheissen. Diesen Umstand hatte Ombudsstelle erst einmal in Gastbeitrag unter anderem in der Aargauer Zeitung öffentlich gemacht, bevor sie danach ihren Schlussbericht veröffentlichte.

Bächtold hatte die Satire als «tendenziöse & parteiische Frechheit» kritisiert und schrieb, es gehe nicht an, dass «durch Zwangsgebühren finanzierte Medien Politik betreiben».

Unabhängigkeit trotz FDP-Mitgliedern auf allen Seiten?

Wieso aber beteiligte sich Co-Ombudsfrau Girsberger überhaupt am Entscheid?

Screenshot: Profil von Esther Girsberger auf der Website der FDP Kreis 7 & 8 der Stadt Zürich

Die SRG-Ombudsstelle ist «unabhängig», wie Art. 91 Abs. 2 RTVG festhält. Girsberger ist langjähriges FDP-Mitglied und sitzt für die FDP in einer Schulpflege.

Das allein hätte objektiv zumindest den Anschein von Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken können. In diesem Fall hätte Girsberger in den Ausstand treten müssen, selbst wenn sie gar nicht tatsächlich befangen gewesen wäre.

Es hätte aber noch einen weiteren möglichen Ausstandsgrund gegeben:

Screenshot: Website von FDP-Politiker Leroy Bächtold

Die FDP-Sektion, für welche Girsberger als Behördenmitglied in der erwähnten Schulpflege tätig ist, ist die FDP Kreis 7 & 8 der Stadt Zürich. Dort sitzt Leroy Bächtold im Vorstand. Andere Vorstandsmitglieder sind unter anderem die FDP-Nationalrätinnen Doris Fiala und Regine Sauter sowie die FDP-Nationalräte Andri Silberschmidt und Filippo Leutenegger.

Die Antwort der Ombudsstelle gegenüber der «Medienwoche» ist nicht geeignet, das Vertrauen in Girsberger zu stärken:

«Überlegte sich Girsberger in den Ausstand zu treten? ‹Esther Girsberger kennt Leroy Bächtold nicht›, so die Ombudsstelle. Sie sei Mitglied der Schulbehörde und sonst nicht in der FDP aktiv.»

Girsberger ist seit April 2020 gemeinsam mit Co-Ombudsmann Kurt Schöbi für die Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz tätig. Sie wurden als Co-Ombudsleute und «ideales Paar» vom Publikumsrat ernannt.

Bereits damals hatte die Zeitschrift «Saldo» gewarnt, dass bei Girsberger die «Befangenheit programmiert» sei.

Unabhängigkeit gegenüber den eigenen Kundinnen und Kunden?

Der Grund für die Warnung war allerdings damals nicht die Mitgliedschaft und Tätigkeit für die FDP, sondern die Agentur speakers.ch ag von Girsberger:

«[…] Sie vermittelt Redner für Workshops, Tagungen oder Symposien. Die Redner sind […] vor allem SRG-Mitarbeiter, die froh sind um einen finanziellen Zustupf. […] Mehr als 40 SRG-Topshots stehen bei ihr unter Vertrag.»

Und:

«[…] Kann eine Redneragentin gleichzeitig Schiedsrichterin sein, wenn ihre Kunden von einer Beanstandung betroffen sind? Girsberger: ‹Ich sehe zwischen meiner Tätigkeit als Agenturinhaberin für die Vermittlung von Referierenden sowie meiner Rolle als Ombudsfrau keinen Interessenkonflikt.› […] Girsberger trete in den Ausstand, wenn es um einen ihrer Redner gehe.

«Saldo» gelangte zu folgendem Fazit:

«Die Frage ist also nicht, wann Girsberger in den Ausstand tritt, sondern eher, wann sie überhaupt arbeiten kann – bei so vielen Kunden aus dem SRF-Personal.»

Screenshot: Liste der exklusiven Rednerinnen und Redner der speakers.ch ag

In politischer Hinsicht stellt sich die Frage der Befangenheit nicht nur in Bezug auf die FDP. So vermittelt Girsberger zahlreiche Politikerinnen und Politiker exklusiv für Auftritte, darunter Nationalrat Bastien Girod (Grüne), Alt-Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) und Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger (SP).

Mit Blick auf die illustre Liste von Namen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die bei Girsberger unter Vertrag sind, steht generell die Frage im Raum, in welchen Angelegenheiten Girsberger überhaupt unbefangen als Co-Ombudsfrau entscheiden kann.

Politisches und unternehmerisches Engagement als Risiko für die Unabhängigkeit

2007 hatte sich Girsberger noch deutlich zur Frage der Befangenheit geäussert:

«Man muss […] den Verdacht eines interessengeleiteten Entscheids in eigener Sache ein für alle Male aus dem Wege räumen.»

Die Ombudsstelle muss nicht nur von Gesetzes wegen unabhängig sein, sondern lebt wesentlich von ihrer Glaubwürdigkeit.

Girsberger riskiert mit ihrem politischen und – erfolgreichen! – unternehmerischen Engagement, dass die SRG-Ombudsstelle nicht mehr als glaubwürdig und unabhängig wahrgenommen wird.

(Via Dennis Bühler.)

Bilder: YouTube / «SRF Deville» (Logo); Leroy Bächtold (Screenshot); FDP Kreis 7 & 8 der Stadt Zürich (Screenshot); speakers.ch ag (Screenshot); SRG Deutschschweiz (Screenshot).

2 Kommentare

  1. Die Ombudsstelle ist ein Etikettenschwindel: die Gehälter werden durch SRF bezahlt und die örtliche Nähe im gleichen Gebäude macht eine objektive Beurteilung unmöglich. Das habe ich auch Frau N. Wappler so mitgeteilt
    Ich habe mehrere Beanstandungen eingegeben, z.T. krasse Desinformationen, sie wurden alle abgelehnt. Dazu de O-Kommentar eines Kommunikationsexperten aus dem Bundeshaus vor 20 Jahren bei meiner ersten Beanstandung: «Sie werden nicht Recht kriegen, aber einen Punkt markieren».
    Ps Die Webseite ist im Werden

  2. Richtig, Herr Haller, aber wenn’s denn nur ein «Etikettenschwindel» wäre!
    Die SRG-Ombudsstelle ist eine in jeder Hinsicht unnütze Arbeits-Beschaffungsstelle, bei der sich einige Theoretiker fürstlich gesund stossen können.

    Eine pure Feigenblatt-Institution, die viel Geld verbrennt und nichts bewirkt.

    Sanktionen = Fehlanzeige.

    Falls jemals eine Sendung gerügt würde, was eine absolute Seltenheit ist, klopfen sich dort die Macher gegenseitig auf die Schultern, denn sie wissen im Voraus, dass sie keinerlei Folgen zu gewärtigen haben.

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