OSZE fordert unabhängige Wahlbeobachtung in der Schweiz

Foto: Falsche mit einem Zettel «Freie Wahlen»

Bei Wahlen in der Schweiz ist grundsätzlich keine unabhängige Wahlbeobachtung durch Bürger und andere Interessierte möglich. Diese Kritik findet sich im Bericht der OSZE zu den eidgenössischen Wahlen 2023.

Bei den eidgenössischen Wahlen der Bundesversammlung vom 22. Oktober 2023 denken viele Personen, die sich für Politik interessieren, an die Rechenfehler beim Bundesamt für Statistik (BFS).

Wie der Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu diesen Wahlen (Archivkopie) zeigt, gab es aber noch andere Mängel.

Schweizerische Gesetzgebung kennt grundsätzlich keine Wahlbeobachtung

Titelseite: OSZE-Bericht zu den Wahlen der schweizerischen Bundesversammlung vom 22. Oktober 2023

Ein wesentlicher Mangel war die grundsätzlich nicht mögliche unabhängige Wahlbeobachtung, wie das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte ODIHR der OSZE im Zusammenhang mit dem E-Voting schreibt:

«Weder die Bundes- noch die kantonale Gesetzgebung sieht ausdrücklich eine internationale oder bürgerliche Wahlbeobachtung vor, was im Widerspruch zu internationalen Standards und früheren Empfehlungen der ODIHR steht.»

Die Behauptung aller Kantone gegenüber OSZE, eine Wahlbeobachtung sei möglich, widerlegte die Piratenpartei in der Schweiz:

« Ein Vertreter der Piratenpartei informierte jedoch das ODIHR EET, dass seine Anfrage zur Beobachtung bestimmter Internetwahlverfahren abgelehnt wurde.»

Beispielhaft nennt die OSZE den Kanton St.Gallen:

«Die Behörden von St.Gallen begründeten ihre Entscheidung mit dem Fehlen einer rechtlichen Grundlage im kantonalen Wahl- und Abstimmungsgesetz, die es externen Personen wie unabhängigen Prüfungsausschüssen oder inländischen Wahlbeobachtern erlaubt, an den Auszählungsverfahren teilzunehmen»

Der Kanton St.Gallen ist besonders wichtig, weil dort die Abraxas Informatik AG sitzt, über deren VOTING-Software viele Gemeinden und Kantone in der Schweiz ihre Abstimmungen und Wahlen abwickeln.

Die OSZE gibt – offensichtlich nicht zum ersten Mal – die Empfehlung ab, eine unabhängige Wahlbeobachtung zu ermöglichen:

«Im Einklang mit den Verpflichtungen der OSZE und einer früheren Empfehlung der ODIHR sollte die Wahlgesetzgebung dahingehend geändert werden, dass sie ausdrücklich die internationale und bürgerliche Beobachtung aller Aspekte des Wahlprozesses, einschließlich aller Phasen der Internetwahl auf Bundes- und Kantonsebene, erlaubt.»

Piratenpartei durfte Wahlen in der Schweiz nicht beobachten

Die Piratenpartei beschreibt ihren erfolglosen Versuch, die Wahlen 2023 zu beobachten, wie folgt:

«Bei den eidgenössischen Wahlen wollte die Piratenpartei in mehreren Kantonen Wahlbeobachtungen durchführen, mit besonderem Augenmerk auf elektronische Systeme und eVoting. Die Wahlbeobachtung wurde uns jedoch in den meisten Fällen direkt verweigert, da die Gesetzgebung der meisten Kantone keine Bestimmungen für unabhängige Wahlbeobachtungen vorsieht. […] Im Kanton Zürich wurde uns der Zugang trotz vorhandener gesetzlicher Grundlage verweigert. Infolgedessen hat die Piratenpartei Recherchen durchgeführt und die Kantone gebeten, ihre Regelungen zur Wahlbeobachtung offen darzulegen – das Ergebnis war ernüchternd: In den meisten Kantonen ist eine unabhängige Wahlbeobachtung nicht vorgesehen.»

Die Piratenpartei fragte alle 26 Kantone nach der Möglichkeit einer Wahlbeobachtung und veröffentlichte die 17 erhaltenen Antworten.

Demokratie funktioniert nicht ohne Vertrauen durch Transparenz

Die fehlende Möglichkeit einer Wahlbeobachtung durch Bürger und andere Interessierte passt nicht zur «Musterdemokratie», als die sich die Schweiz versteht.

Eine Demokratie, die Vertrauen verdienen soll, bedingt Transparenz. Dazu gehört, dass alle, die möchten, den gesamten Ablauf der Wahlen beobachten können.

Gleichzeitig ist es ein Armutszeugnis, dass die Medien in der Schweiz – soweit ersichtlich – diesen Mangel an Transparenz bislang nicht thematisierten.

Die fehlende Thematisierung ist allenfalls damit zu erklären, dass es zu diesem Thema aus naheliegenden Gründen keine Medienmitteilungen von Behörden gab.

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