Proton hat still und leise den Transparenzbericht mit den Zahlen für das Jahr 2024 ergänzt.
Proton erhielt demnach im Jahr 2024 die Rekordzahl von 11’023 «legal orders» bzw. «rechtlichen Anordnungen». Das sind rund 72 Prozent mehr «Anordnungen» als im Jahr 2023.

In den Jahren 2021, 2022 und 2023 hatte die Zahl der «rechtlichen Anordnungen» zwischen 6’000 und 7’000 pro Jahr stagniert.
In den Jahren 2020 und vorher war die Zahl der «rechtlichen Anordnungen» jeweils stark gewachsen.
So berichtete Proton im Jahr 2018 über 340 «Anordnungen», verzeichnete im Jahr 2019 aber bereits 1’594 «Anordnungen» und erreichte im Jahr 2020 die Zahl von 3’767 «Anordnungen».
Die rekordhohe Zahl der «Anordnungen» im Jahr 2024 hat vermutlich zwei Gründe:
Einerseits wächst Proton und andererseits fallen bei den Behörden in der Schweiz keine Kosten pro Anfrage mehr an, sondern es wird seit Anfang 2024 pauschal abgerechnet.
Mit einem Transparenzbericht veröffentlichen Unternehmen, wie häufig Nutzerdaten an Behörden herausgegeben werden.
Die meisten grossen Internet-Unternehmen in den USA veröffentlichen einen Transparenzbericht.
Google und andere Unternehmen machen damit den Überwachungsstaat transparent und ermöglichen ihren Nutzern eine Risikobeurteilung. Die «Methode Rosenthal» in der Schweiz beispielsweise nutzt solche Angaben.
In der Schweiz veröffentlichen nur wenige Internet-Unternehmen einen Transparenzbericht. So zählen die grossen Anbieterinnen Swisscom, Sunrise und Salt sowie Lycamobile deutlich die meisten Auskünfte und Überwachungen, veröffentlichen aber keinen Transparenzbericht.
Transparenzberichte von Internet-Diensten mit Bedeutung für die Schweiz
Was steht im Transparenzbericht von Proton?
Proton mit Sitz in der Nähe von Genf zählt zu den Ausnahmen in der Schweiz und veröffentlicht jährliche Zahlen zur Herausgabe von Nutzerdaten.

Die Angaben im Transparenzbericht von Proton sind allerdings spärlich.
Proton veröffentlicht lediglich die Zahl der «rechtlichen Anordnungen», die «erfüllt» oder «angefochten» wurden.
Was Proton unter «angefochten» versteht, ist nicht klar. Proton veröffentlicht auch nicht, wie viele Nutzer und Nutzerkonten betroffen waren.
Die Zahlen für 2024 finden sich bislang im englischsprachigen Transparenzbericht (Screenshot). Der Transparenzbericht auf Deutsch wurde noch nicht aktualisiert (Screenshot).
Früher veröffentlichte Proton einen ausführlichen Transparenzbericht. Damals wurde offengelegt, ob die Anfragen für Nutzerdaten direkt aus der Schweiz oder aus anderen Ländern stammten, und falls ja, aus welchen anderen Ländern.
Welche Auskunfts- und Überwachungspflichten hat Proton?
Proton schweigt zu den eigenen Auskunfts- und Überwachungspflichten für Proton Mail, Proton VPN und Proton Drive.

Klar ist, dass Proton verschiedenen Auskunfts- und Überwachungspflichten gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) und dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) einschliesslich der Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) unterliegt.
In den «Datenschutz-Plaudereien» erklärte ein Vertreter des schweizerischen Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) kürzlich, dass Proton aktuell als Anbieterin abgeleiteter Kommunikationsdienste (AAKD) ohne erweiterte Pflichten eingestuft ist.
Proton muss damit beispielsweise keine Nutzer identifizieren und unterliegt auch nicht der schweizerischen Vorratsdatenspeicherung.
Das könnte sich in Kürze ändern.
Gemäss der geltenden Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (VÜPF) könnte Proton als AAKD mit erweiterten Auskunfts- und / oder Überwachungspflichten eingestuft werden.
Proton müsste in der Folge unter anderem die Nutzer identifizieren und würde der schweizerischen Vorratsdatenspeicherung unterliegen.
Vergleichbares droht Proton mit der laufenden – umstrittenen! – Revision der VÜPF. Mit der Revision wäre Proton auch noch verpflichtet, die selbst angebrachte Verschlüsselung zu entfernen.
Proton wehrt sich gegen diese laufende Revision. So erklärte Proton kürzlich im Zusammenhang mit einem neu lancierten KI-Chatbot, die Schweiz verlassen zu wollen.
Allerdings hatte Proton schon bei früheren Erlassen, die in der Schweiz zu einem weiteren Wachstum des Überwachungsstaats führten, mit dem Verlassen der Schweiz gedroht, ohne die Schweiz danach zu verlassen. Gleichzeitig investierte Proton bislang schon in Infrastruktur im übrigen Europa.
Siehe auch:
- Urteil: ProtonMail unterliegt Überwachungspflichten in der Schweiz als Kommunikationsdienst
- Welche IP-Adressen muss ProtonMail an Behörden liefern?
- ProtonMail: Nutzerdaten für die USA dank Rechtshilfe und guter Zusammenarbeit mit Behörden
- DAT322 Proton und die geheimen Überwachungspflichten (Datenschutz-Plaudereien)
Beitragsbild und Diagramm: OpenAI / ChatGPT.