
Amazon verhindert vorläufig mit einer Beschwerde, dass die Bundeskanzlei die schweizerischen Cloud-Verträge mit fünf Tech-Konzernen veröffentlichen darf.
Das zeigt eine hängige Beschwerde von Amazon beim schweizerischen Bundesverwaltungsgericht.
Die Eidgenossenschaft setzt für Cloud-Dienste auf die amerikanischen und chinesischen Tech-Konzerne Alibaba, Amazon Web Services (AWS), IBM, Microsoft und Oracle.
Die Bundeskanzlei hatte in diesem Zusammenhang im Herbst 2022 erklärt, die Anbieter hätten «einen inhaltlich übereinstimmenden Rahmenvertrag unterzeichnet». Sie prüfe, so damals die Bundeskanzlei, inwiefern die Verträge mit den Tech-Konzernen veröffentlicht werden könnten.
In der Folge gelangte ich im Juli 2023 mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) an die Bundeskanzlei.
Dabei ersuchte ich in eigener Sache – also nicht als Anwalt – insbesondere um den Zugang zum «Rahmenvertrag, inhaltlich übereinstimmend, mit den Anbietern für die ‹Public Clouds Bund›», den die Bundeskanzlei erwähnt hatte.
Im Juni 2024 teilte mir die Bundeskanzlei mit, sie sehe vor, «die Dokumente mit einzelnen Schwärzungen zugänglich zu machen». Die Bundeskanzlei wird dabei vom geschätzten Anwaltskollegen Thomas Steiner von LAUX LAWYERS beraten.
Drei der fünf Tech-Konzerne gelangten gegen die geplante Veröffentlichung mit Schlichtungsanträgen an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB). Kein Tech-Konzern war freiwillig bereit, von Anfang an die Schaffung von Transparenz zu ermöglichen.
Der EDÖB gelangte in den drei entsprechenden Schlichtungsverfahren jeweils zur Empfehlung, den Zugang grundsätzlich zu gewähren. Dabei sei, so der EDÖB, ein «berechtigtes objektives Geheimhaltungsinteresse» der Tech-Konzerne zu berücksichtigen.
In den Schlichtungsverfahren wurden die drei Tech-Konzerne und ihre anwaltliche Vertretung anonymisiert.
Beschwerde von Amazon beim Bundesverwaltungsgericht

Amazon in Form der europäischen Amazon Web Services EMEA SARL akzeptierte die Empfehlung des EDÖB nicht und erhob Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.
Die anwaltliche Vertretung von Amazon erfolgt durch die Anwaltskollegen Marquard Christen und Julia Haas von CMS von Erlach Partners.
Anfang Mai 2025 wurde ich – wie auch die Tech-Journalistin Adrienne Fichter, die ein ähnliches, aber nicht identisches Zugangsgesuch gestellt hat – vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren begrüsst.
Momentan geht es im Verfahren um prozessuale Anträge. So fordert Amazon, dass die Bundeskanzlei auch die Verträge mit den anderen Tech-Konzernen nicht zugänglich machen darf, solange über die Beschwerde von Amazon nicht rechtskräftig entschieden wurde.
Die Bundeskanzlei ist aktuell vom Bundesverwaltungsgericht «angewiesen», auch abgesehen von Amazon keinen Zugang zu gewähren. Im Übrigen sieht sich die Bundeskanzlei aber verpflichtet, den Zugang zu gewähren, wie sie in einer Stellungnahme schreibt:
«Die Bundeskanzlei anerkennt die aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Diese wirkt sich indes nur auf einen allfälligen Zugang zum Vertragswerk der Beschwerdeführerin aus. Bezüglich der anderen Vertragswerke sieht sich die Bundeskanzlei (mangels Beschwerde gegen die jeweilige Publikationsverfügung) vorbehaltlich eines vorsorglichen Verbots der Zugangsgewährung bzw. der Publikation verpflichtet, den Gesuchstellenden den Zugang nun zu gewähren.»
Amazon beruft sich auf das Geschäftsgeheimnis
In der Sache argumentiert Amazon in der Beschwerde vom 24. März 2025 – soweit ersichtlich – im Wesentlichen mit dem Geschäftsgeheimnis, unter anderem:

«Nur eine vollständige Verweigerung des Zugangs und ein vollständiger Verzicht auf die Publikation des Vertragswerkes gewährleisten, dass [das] Geschäftsgeheimnis […] gewahrt bleibt.»
Und:
«Wie vorstehend dargelegt […], handelt es sich bei dem Vertragswerk in seiner Gesamtheit um ein Geschäftsgeheimnis der Beschwerdeführerin, das zwingend und absolut zu schützen ist. Eine Interessenabwägung erübrigt sich insofern. Selbst wenn jedoch das Vertragswerk wider Erwarten nicht als Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren wäre, stellt eine Offenlegung des Vertragswerks vorliegend einen derart schwerwiegenden Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition der Beschwerdeführerin dar, dass das Interesse der Beschwerdeführerin an der Geheimhaltung des Vertragswerks ein allfälliges Interesse an dessen Offenlegung überwiegt.»
Ob die Argumentation berechtigt ist, kann ich nicht prüfen, da mir die Beschwerde von Amazon bislang nur in einer grosszügig geschwärzten Fassung und nicht mit allen Beilagen vorliegt.
Genauso erhielt ich bislang die Akten der Bundeskanzlei nicht oder nur in einer ebenfalls grosszügig geschwärzten Fassung.
Wieso fürchtet sich Amazon vor Transparenz?
Für mich ist nicht klar, wie mein Zugang zum Rahmenvertrag die Geschäftsgeheimnisse von Amazon oder überhaupt Geschäftsgeheimnisse umfassen könnte.
Ich ersuchte um den Zugang zum «Rahmenvertrag, inhaltlich übereinstimmend, mit den Anbietern für die ‹Public Clouds Bund›». Sachlogisch ist es meines Erachtens nicht möglich, dass im Inhalt, der für alle fünf Tech-Konzerne übereinstimmt, die behaupteten Geschäftsgeheimnisse oder überhaupt Angaben, die sich auf Amazon beziehen, enthalten sein können.
Im Übrigen würde die Bundeskanzlei allfällige Geschäftsgeheimnisse, die schutzwürdig sind, ohnehin schwärzen.
In jedem Fall hoffe ich, dass früher oder später bekannt wird, was genau Amazon geheim halten möchte – im Gegensatz zu Alibaba, IBM, Microsoft und Oracle.
Amazon will nicht, dass die Republik Verträge mit dem Bund sieht (Adrienne Fichter)
Siehe auch:
- EDÖB empfiehlt Zugang zu Cloud-Verträgen zwischen der Schweiz und Tech-Konzernen
- DAT312 EDÖB-Empfehlungen zu geheimen Cloud-Verträgen (Datenschutz-Plaudereien)
- Cloud-Verträge zwischen der Schweiz und Tech-Konzernen bleiben erst einmal geheim
- DAT166 Geheime Verträge für «Public Clouds Bund» (Datenschutz-Plaudereien)
Hinweis: In den verlinkten Dokumenten aus dem Verfahren am Bundesverwaltungsgericht wurden die Unterschriften nachträglich geschwärzt. Allfällige weitere Schwärzungen waren in den erhaltenen Dokumenten bereits vorhanden.