Kein Strafverfahren gegen NSA & Co. in der Schweiz

Dokument: Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 13. Oktober 2014 bezüglich Nichtanhandnahme von Strafanzeige der Digitalen Gesellschaft

Anfang Juli 2013 hatte die Digitale Gesellschaft Strafanzeige im Zusammenhang mit den Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden zur globalen Überwachung beim zuständigen Bundesanwalt Michael Lauber eingereicht.

Bis Ende 2013 war noch kein Strafverfahren eröffnet worden.

Auf meine Nachfrage hin hat nun Carlo Bulletti, Leitender Staatsanwalt des Bundes, zu Händen der Digitalen Gesellschaft erklärt, dass die Strafanzeige nicht an Hand genommen wurde:

«Nach eingehender Prüfung […] sind wir zum Schluss gekommen, dass die Bedingungen für die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Unbekannt wegen verbotenem Nachrichtendienst (Art. 272 ff. StGB) und weiterer Delikte nicht erfüllt sind. Die Begründung für diesen Entscheid wurde in der entsprechenden Nichtanhandnahmeverfügung gemäss Art. 310 StPO dargelegt.

Da Sie jedoch weder Partei noch Geschädigter […] sind, haben Sie keinen Anspruch auf die Zustellung der entsprechenden Verfügung und somit auch kein Rechtsmittel. […]»

Die Bundesanwaltschaft eröffnet somit kein Strafverfahren aufgrund der – inzwischen noch umfassenderen! – Enthüllungen von Edward Snowden.

Im Gegenteil: Vor einigen Tagen enthüllte der Zürcher Tages-Anzeiger, dass die Bundesanwaltschaft auf Informationen aus amerikanischer Überwachung in der Schweiz zurückgreift. Die Bundesanwaltschaft läuft damit Gefahr, in Bezug auf die NSA-Enthüllungen als befangen zu gelten.


Nachtrag vom 20. Oktober 2014

Inzwischen liegt mir die Nichtanhandnahmeverfügung vom 30. September 2014 in einer nicht unterzeichneten Version vor.

Die Bundesanwaltschaft begründet Ihre Nichtanhandnahme, die vermutlich überhaupt erst aufgrund meiner Nachfrage vom 24. September 2014 erfolgt war, damit, dass «aus der Anzeige nicht hervorgeht, ob und allenfalls von wem, wann und an welchem Ort, im In- oder Ausland, sich eine allfällige strafbare Handlung ereignet haben könnte [und] somit kein konkreter und hinreichender Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliegt.»

Kommentar der Digitalen Gesellschaft dazu:

«Dies mutet doch sehr seltsam an, wenn man sich die allumfassende Überwachung von NSA, GCHQ & Co. vergegenwärtigt, wie sie Edward Snowden, Glenn Greenwald und vielen andere aufgedeckt haben – und von den Diensten nicht dementiert worden ist. Diese Massenüberwachung müsste mittlerweile eigentlich Allgemeinwissen sein. Und dass wir in der Schweiz davon ebenfalls betroffen sind, auch. […]»

5 Kommentare

  1. Ohne Zugriff auf einen aktuellen StPO-Kommentar zu haben und in Unkenntnis der neusten Rechtsprechung: Gemäss BGE 134 I 286 sollte die Einsicht in die Verfügung zumindest möglich sein. Die Begründung wäre nämlich schon noch interessant.

  2. Wäre es nicht möglich gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz und dem nachweisbaren überwiegenden öffentlichen Interesse Einblick in die Verfügung zu erlangen?

  3. Offensichtlicher kann eine Bundesbehörde gar nicht mehr zugeben, dass sie mit und für die NSA arbeitet. Die Schweiz als offizieller Handlanger der NSA – jetzt sogar schriftlich besiegelt – wie traurig, frustrierend und demoralisierend ist das denn?

    Bisher hatte ich die leise Hoffnung, dass die Schweiz diesbezüglich noch einen Funken Rechtsstaatlichkeit pflegt. Diese Hoffnung hat die Bundesanwaltschaft nun definitiv beerdigt.

    Zuerst spielt die Schweiz den Geldesel und den Polizisten für Amerika, jetzt auch noch den «geheimen» Informanten. Tiefer können wir kaum mehr sinken.

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