Transparenzbericht von Cyon: Erstmals Zahlen zu Behördenanfragen und Löschbegehren in der Schweiz

Bild: Gesicht eines männlichen Brillenträgers mit Nullen und Einsen

Wer wissen möchte, wie häufig Behörden bei Apple, Google und anderen amerikanischen Internet-Unternehmen die Daten von Kundinnen und Kunden anfordern, kann seit einigen Jahren den jeweiligen Transparenzbericht abrufen.

Nun gibt es mit dem Basler Hosting-Provider Cyon endlich auch ein Schweizer Unternehmen, das einen eigenen Transparenzbericht nach amerikanischem Vorbild veröffentlicht hat.

Behördenanfragen: E-Mail-Konten und Kundendaten

Bei Cyon wurden gemäss dem summarischen Transparenzbericht in den ersten neun Monaten 2016 in drei Fällen von schweizerischen Behörden die Daten von Kundinnen und Kunden angefordert:

Zwei Fälle betrafen E-Mail-Konten – einerseits Inhalte und andererseits Verbindungsdaten –, ein weiterer Fall bezog sich auf Kundendaten im Zusammenhang mit mutmasslich falschen WHOIS-Angaben. In allen Fällen lieferte Cyon die geforderten Daten.

Cyon weist darauf hin, dass man nicht der sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung gemäss dem heutigen Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) unterliegt. Momentan zählt Cyon nach eigenen Angaben rund 34’500 Kundinnen und Kunden.

Löschbegehren: Markenrecht, Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht

Cyon legt auch Löschbegehren und sonstige Anfragen im Zusammenhang mit mutmasslich unzulässigen Inhalten offen. Solche Anfragen stammen mehrheitlich von Privatpersonen und Unternehmen.

Cyon handelt bei solchen Anfragen gemäss dem Code of Conduct «Hosting» der Swiss Internet Industry Association (simsa). Auf Inhalte von Kundinnen und Kunden von Cyon ist dieser Code of Conduct aufgrund von Ziff. 3.5.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) anwendbar.

In den ersten neun Monaten 2016 erhielt Cyon zwölf solche Anfragen, die zur Hälfte das Urheberrecht betrafen. Vier Anfragen bezogen sich auf das Markenrecht, zwei Anfragen auf das Persönlichkeitsrecht. Jeweils vier Anfragen stammten aus der Schweiz und aus den USA, sieben der zwölf Anfragen stammten von Unternehmen. In acht Fällen informierte Cyon die betroffenen Kunden über die mutmasslich unzulässigen Inhalte («Notice-and-Notice»), in vier Fällen löschte Cyon die gemeldeten Inhalte («Notice-and-Takedown»).

Wann schaffen andere Schweizer Internet-Unternehmen Transparenz?

Cyon ist – soweit ersichtlich – das erste Schweizer Internet-Unternehmen, das einen eigentlichen Transparenzbericht veröffentlicht hat. Ansonsten informiert lediglich der Groupware-Hoster Kolab Systems mit einer knapp gehaltenen Seite über Behördenanfragen (Screenshot).

Es wäre erfreulich, wenn andere Internet-Unternehmen in der Schweiz dem Vorbild von Cyon folgen und ebenfalls Transparenz schaffen würden. Die Veröffentlichung von Transparenzberichten schafft Vertrauen und ermöglicht die Diskussion über eine ansonsten unsichtbare Rechtswirklichkeit. So fordert beispielsweise die amerikanische Unterhaltungsindustrie eine verschärfte urheberrechtliche Repression im digitalen Raum, obwohl sich das Vorgehen gemäss dem Code of Conduct «Hosting» als Selbstregulierung bewährt hat.

Als Vorbild im deutschsprachigen Raum kann auch der deutsche E-Mail-Hoster Posteo dienen, der seinen Transparenzberichte seit Mai 2014 veröffentlicht. In der Schweiz wären insbesondere Transparenzberichte der grossen Fernmeldedienstanbieter wie Salt, Sunrise, Swisscom und UPC Cablecom wünschenswert.

Hinweis: Cyon ist der langjährige Hosting-Provider der Steiger Legal-Website.

Bild: Pixabay / geralt, Public Domain-ähnlich.

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