Twitter: Geldstrafe von 48’500 Franken für Beschimpfungen und Drohungen nach Alkoholkonsum

Bild: Zwei Twitter-Vögel, die sich streiten (AI-generiert)

Für Tweets, die als strafbare Beschimpfungen und Drohungen qualifiziert wurden, verhängte eine Staatsanwaltschaft im Kanton Graubünden eine bedingte Geldstrafe von 48’500 Franken gegen einen schweizerischen Twitter-Nutzer. Dazu kommen eine zu bezahlende Busse von 9’700 Franken und die Verfahrenskosten.

Hintergrund bildeten insbesondere die nachfolgenden Äusserungen, die ein Twitter-Nutzer namens @LangstrumpfPipo öffentlich an einen anderen Twitter-Nutzer namens @SamBu95 gerichtet hatte:

«Ich kann dich auch in Kolumbien entsorgen lassen, falls dir der Rechtsweg zu kompliziert ist.»

Und:

«Ich wünsche dir noch mehr Pech bei der Verhandlung als bei deiner Babyspeckfresse.»

Und auch:

«Willst du lieber Speckladyboy im Prager Rotlichtmilieu werden, oder in einem dunklen Loch verrotten.»

Weitere Äusserungen von @LangstrumpfPipo erfolgten gemäss Strafbefehl mit privaten Nachrichten bei Twitter, auch über das Twitter-Konto @DerGerichtshof. In diesen Äusserungen wurde @SamBu95 als «Arschloch» und «Speckfresse» bezeichnet.

Die Äusserungen von @LangstrumpfPipo erfolgten grossmehrheitlich am 17. Juni 2022 am späten Abend. @LangstrumpfPipo hatte gemäss Strafbefehl auf folgende Äusserung von @SamBu95 vom 28. Mai 2022 reagiert:

«Wie kann es sein, dass Pipo hier nach wie vor seinen Unfug treiben kann, obwohl er damals beim Nazi-Aufmarsch in Bern dabei war?»

Was mit dem «Nazi-Aufmarsch in Bern» gemeint sein könnte, lässt sich dem Strafbefehl nicht entnehmen.

Auf die Aufforderung von @SamBu95, «langsam mal mit den Beleidigungen auf[zu]hören», hatte @LangstrumpfPipo über sein Twitter-Konto @DerGerichtshof wie folgt reagiert:

«Kannst mich ja anzeigen, falls du das nicht sowieso schon getan hast, du elender Verleumder. »

Gemäss dem resultierenden Strafbefehl vom 4. April 2023 wurden die Tweets von @LangstrumpfPipo als mehrfache Drohung gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB und / oder als mehrfache Beschimpfung gemäss Art. 177 Abs. 1 StGB qualifiziert.

Strafmass: 25 Tagessätze à 1’940 Franken bedingt plus Busse von 9’700 Franken

Für die Tweets wurde @LangstrumpfPipo gemäss Strafbefehl mit einer bedingten Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 1’940 Franken bestraft. «Bedingt» bedeutet, dass die Geldstrafe nicht vollzogen wird, wenn sich @LangstrumpfPipo während der Probezeit von zwei Jahren bewährt.

Die bedingte Geldstrafe wurde mit einer zu zahlenden Busse von 9’700 Franken verbunden. Es handelt sich um eine Verbindungsbusse gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB. Den Zweck beschreibt das Bundesgericht unter anderem wie folgt:

«Dem Verurteilten soll ein Denkzettel verabreicht werden können, um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen und zugleich zu zeigen, was bei Nichtbewährung droht  […].»

Das Strafmass bewegt sich an der unteren Grenzen. So liegt die Strafandrohung allein schon für eine einmalige Drohung bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Strafbefehl: Betroffene schaffen selbst Öffentlichkeit bei Twitter

Der Strafbefehl wurde bekannt, weil sich die beteiligten Twitter-Nutzer öffentlich bei Twitter darüber äusserten.

@SamBu95 erwähnte den Strafbefehl ohne Nennung von @LangstrumpfPipo am 12. April 2023 bei Twitter:

«Ein Typ, der mich letztes Jahr hier auf Twitter beleidigte und bedrohte, wurde zu einer Busse 9700 Fr. verdonnert. Ebenfalls hat er eine bedingte Strafe von 48’500 Fr. erhalten. Die Probezeit beträgt 2 Jahre. Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig.

Herzlichen Dank an @NetzCourage und @JolandaSpiess !

Und immer dran denken: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum!»

Am 13. April 2023 veröffentlichte @LangstrumpfPipo folgende Stellungnahme bei Twitter:

«Wie ihr vielleicht auf Twitter erfahren habt, wurde ich zu einer Geldbusse verurteilt. Ich bereue meinen nach wenigen Minuten gelöschten Tweet sehr und hatte am darauffolgenden Tag öffentlich dafür um Entschuldigung gebeten. Ich war an diesem verhängsnisvollen Abend in Prag in einer Hotelbar und hatte zuviel getrunken. Dies soll keine Ausrede sein, sondern ein Eingeständnis meines dummen Verhaltens. Alkohol und Twitter sind eine schlechte Kombination.

Meine Antwort an @SamBu95 kam allerdings nicht aus dem luftleeren Raum, sondern als Antwort auf einen mich persönlich sehr verletzenden Tweet, der meine politische Arbeit geringschätzte und mir fälschlicherweise Machtgelüste unterstellte. Ausserdem hatte diese Person mich mehrmals über Monate hinweg aufs Heftigste verleumdet.

Alle diese Angriffe auf meine Person und meinen Ruf rechtfertigten allerdings nicht meine infantile Reaktion. Ich hätte die strafrechtlich relevanten Äusserung besser zur Anzeige gebracht, als mit Beleidigungen und einer scherzhaft gemeinten Drohung zu antworten.

Ich habe meine Lektion gelernt, gelobe Besserung und bitte alle um Entschuldigung, die sich aufgrund meines Verhaltens seelisch verletzt fühlten.»

Die Stellungnahme liest sich, als werde @LangstrumpfPipo keine Einsprache gegen den Strafbefehl erheben. Bei einer Einsprache würde die Angelegenheit von einem Strafgericht beurteilt.

Die Antragsfrist von drei Monate für eigene strafrechtliche Schritte gegen @SamBu95 hatte @LangstrumpfPipo verpasst:

«Dafür war es schon zu spät zum Zeitpunkt [der] Anzeige [von @SamBu95], welche im letztmöglichen Moment erfolgte.»

Wenn der Strafbefehl rechtskräftig wird, gilt @LangstrumpfPipo als vorbestraft. Im Privatauszug aus dem Strafregister wird die Verurteilung nach zwei Jahren nicht mehr sichtbar sein, sofern kein Widerruf der bedingten Geldstrafe erfolgt.

Für Aufsehen sorgte teilweise der vergleichsweise hohe Tagessatz von 1’940 Franken.

Der Tagessatz richtet sich nach «nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters […], namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum.» (Art. 34 StGB). Mit einer standardmässigen Tagessatz-Berechnung kann das jährliche Einkommen auf über eine Million Franken geschätzt werden.

@LangstrumpfPipo, der im Strafbefehl als «Immobilienverwalter» bezeichnet wird, ist gemäss Medienberichten ein «Millionen-Erbe» und «Spross der PKZ-Dynastie». Gängige Vorurteile passen aber nicht, denn @LangstrumpfPipo engagiert sich gemeinnützig und politisch.

In seinem Twitter-Profil verweist @LangstrumpfPipo insbesondere auf sein politisches Engagement. Dazu zählen das Vizepräsidium der Piratenpartei Schweiz und Spenden in Höhe von mindestens 580’000 Franken an «Piraten» in Bern und Zürich allein 2019, der Einsatz im Komitee der «Service Citoyen»-Volksinitiative und «grosse Beiträge […] für den österreichischen Netzaktivisten Max Schrems» sowie überhaupt «grosse Summen für gemeinnützige Zwecke».

Bild: Microsoft Bing Image Creator.

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