Transformation: Chaos beim Nachrichtendienst des Bundes in der Schweiz?

Bild: Schweizerische Geheimagenten (KI-generiert)

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), der grösste Geheimdienst in der Schweiz wird umgebaut – und gemäss einem Bericht von CH Media herrscht Chaos.

Die Situation weckt Besorgnis, denn der Geheimdienst verfügt über weitreichende Kompetenzen, ohne wirksam beaufsichtigt zu werden. Gleichzeitig «leben [wir] in einer gefährlichen und volatilen Übergangszeit», in der ein funktionierender Nachrichtendienst wichtig wäre für die Schweiz.

Henry Habegger bei CH Media schreibt unter anderem über die Transformation unter dem neuen NDB-Direktor Christian Dussey:

«Ein Resultat […] ist unzufriedenes Personal, aber auch Kritik etwa aus Kantonen, wonach die Leistungen des Dienstes deutlich nachgelassen hätten.»

Henry Habegger, CH Media

«Die Transformation hat sich bisher nicht in der erhofften Richtung entwickelt. Das neue Organigramm wurde schrittweise gefüllt mit Namen. Aber bald zeigte sich, dass das Geld nicht für alles reichte, für all die Löhne, für all die Pläne.»

Und:

«Ein Resultat des Umbruchs ist unzufriedenes Personal, aber auch Kritik etwa aus Kantonen, wonach die Leistungen des Dienstes deutlich nachgelassen hätten. ‹Der Schweizer Geheimdienst ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er die Terrorabwehr reduzieren musste›, schrieb im Juli [2024] die NZZ. Der Output des Dienstes, so Beobachter, sei klein geworden. Die als vertraulich eingestufte ‹Wochenlage›, die an viele Stellen bei Bund und Kantonen geht, enthalte ‹praktisch nie Informationen, die nicht schon in Zeitungen standen›.»

Habegger kritisiert in seinem Bericht insbesondere einen Personalentscheid von NDB-Direktor Dussey:

«Zum neuen Personal gehört umgekehrt eine frühere Headhunterin, die in die Rekrutierung von Dussey involviert war und dann von diesem zur Vize-Direktorin des NDB gemacht wurde.»

Die erwähnte Vizedirektorin Daniela A. Brügger scheint mit Blick auf ihr LinkedIn-Profil allerdings durchaus qualifiziert, bei der Transformation zu helfen.

Öffentlich sichtbar ist, dass der Bericht «Sicherheit Schweiz» für das Jahr 2024 immer noch fehlt:

«‹Opfer› dieser Situation ist jetzt offensichtlich auch der jährliche Lagebericht des Nachrichtendienstes. Dieser Bericht […] wird gewöhnlich im Juni publiziert und vorgestellt; manchmal bereits im Frühjahr. […] Aber bisher warten alle vergeblich auf Ausgabe 2024.»

CH Media fragte beim Geheimdienst nach:

«Warum liegt der Lagebericht 2024 noch nicht vor? Hängt die Verzögerung mit den internen Problemen zusammen? Der NDB reagiert kurz angebunden: ‹Die Ausgabe 2024 unseres Lageberichts «Sicherheit Schweiz» erscheint voraussichtlich Ende Oktober. Der Termin wird noch kommuniziert.›»

Im April 2024 hatte sich NDB-Direktor Dussey in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) unter anderem wie folgt zur anspruchsvollen Transformation geäussert:

«Die gegenwärtige Situation macht die Transformation unabdingbar. […] Aufgrund der geopolitischen und sicherheitspolitischen Lage ist die Dringlichkeit […] stark gestiegen.»

NDB-Direktor Christian Dussey

«Der NDB befindet sich nicht in einer Krise, sondern in einer Transformationsphase. Parallel zu dieser Transformation gehen unsere Aktivitäten weiter. Die Aktualität pausiert nicht. […] Es ist schon in normalen Zeiten anspruchsvoll, einen Nachrichtendienst zu führen. Die Operationen sind komplex, es gibt strenge Kontrollen. Heute befinden wir uns zusätzlich in einem hybriden Krieg, und alles wird von einer internen Transformation überlagert. Wir sind also gleich dreifach gefordert – aber es gibt keine Alternative.»

Und:

«Die gegenwärtige Situation macht die Transformation unabdingbar. […] Aufgrund der geopolitischen und sicherheitspolitischen Lage ist die Dringlichkeit […] stark gestiegen. Wir sind fünf Druckpunkten ausgesetzt. Erstens dem hybriden Krieg und der erhöhten Terrorgefahr. Zweitens haben sich wegen der geopolitisch fiebrigen Situation die Kontakte mit den Partnerdiensten intensiviert. Drittens sind die Bedürfnisse unserer Kunden – vom Bundesrat bis zu den Kantonen – gestiegen. Viertens haben wir es mit einem Generationenwechsel zu tun. Die jungen Mitarbeiter haben andere Bedürfnisse an den Arbeitgeber als diejenigen, die jetzt in Pension gehen. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir nicht das Wissen verlieren. Fünftens erleben wir einen exponentiellen technologischen Fortschritt.»

Und auch:

«Eine Transformation ist ein schwieriger Prozess. Als Direktor verstehe ich, dass es Unsicherheiten gibt. Die letzte grosse Reorganisation war vor vierzehn Jahren. Wir haben kommunikative Massnahmen ergriffen, um den Leuten die Gründe für die Transformation besser zu erklären. Auch haben wir Arbeitsabläufe vereinfacht und Teams nach Aufgaben zusammengelegt. […]»

Gemäss einem früheren Interview mit der NZZ im März 2023 ist NDB-Direktor Dussey jedenfalls klar, dass es letztlich um das Vertrauen in «seinen» Geheimdienst geht:

«Legitimität wird durch das Vertrauen der Bevölkerung, der Medien und der politischen Behörden erlangt.»

NDB-Direktor Christian Dussey

«In einer Demokratie wird die Effizienz eines Nachrichtendiensts an seiner Leistung und seiner Legitimität gemessen. Und diese Legitimität wird durch das Vertrauen der Bevölkerung, der Medien und der politischen Behörden erlangt.»

Und:

«Der Nachrichtendienst darf nicht länger die ‹Dunkelkammer der Nation› sein. Unsere Legitimität beruht auf Vertrauen. In der Fachliteratur wird über die Arbeitsmethoden des Nachrichtendienstes berichtet. Worüber wir nicht sprechen, sind unsere Quellen und die Mittel, die für unsere Prioritäten eingesetzt werden. Wir stehen immer vor dem Dilemma, dass wir diskret sein müssen, um effektiv zu sein, aber transparent, um Vertrauen zu erzeugen.»

Für die Schweiz ist zu hoffen, dass es Christian Dussey gelingt, den Geheimdienst zu transformieren. Wenn Dussey dabei auch noch wider Erwarten die Transparenz verbessern könnte, wäre das erfreulich.

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