Erneute Verzögerung bei der Plattform-Regulierung in der Schweiz

Bild: Schnecke, die ein Gehäuse mit dem Schweizerkreuz trägt, kriecht über eine Tastatur (KI-generiert)

Die geplante Plattform-Regulierung in der Schweiz verzögert sich einmal mehr, wie die SonntagsZeitung berichtet.

Der Entwurf für das neue Bundesgesetz über Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen (KomPG) war für Ende März 2024 angekündigt.

Gemäss der offiziellen Webseite mit den geplanten Vernehmlassungen sollte die Vernehmlassung zum KomPG nach dieser ersten Verzögerung im Dezember 2024 beginnen (Screenshot). Die Vernehmlassung wurde aber nicht eröffnet, sondern für unbestimmte Zeit verschoben.

Nun verzögert sich die Vernehmlassung erneut. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) unter der Führung von SVP-Bundesrat Albert Rösti wird kurz und knapp wie folgt zitiert:

«Die Vorlage ist noch nicht vernehmlassungsreif, mehr können wir nicht sagen.»

Die Verzögerungen wurden bislang – soweit ersichtlich – nicht offiziell kommuniziert. Das Gleiche gilt für die Gründe, die zu den Verzögerungen führten und führen.

Stärkung der Rechte der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer

Widerstand gibt es vor allem aus der Schweizerischen Volkspartei (SVP). So fürchtet sich der einflussreiche SVP-Nationalrat Franz Grüter vor einem «brandgefährlichen Zensurgesetz» und vor «staatlich betreutem Denken».

Franz Grüter, der langjährig als IT-Unternehmer tätig war, scheint die Stossrichtung der Vorlage, wie sie vom Bundesrat im April 2023 in Auftrag gegeben wurde, nicht zu kennen.

Diese Stossrichtung zielt im Wesentlichen darauf, die Rechte der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer gegenüber den grossen Kommunikationsplattformen zu stärken, damit sie sich bei Bedarf zur Wehr setzen können:

  • Nutzer, deren Inhalte gelöscht oder deren Konten gesperrt werden, sollen eine Überprüfung dieser Massnahmen bei den Plattformen verlangen können.
  • Nutzer sollen die Plattformen nicht mehr im Ausland kontaktieren müssen, sondern an eine Kontaktstelle und an eine Rechtsvertretung in der Schweiz gelangen können. Das Gleiche soll für Behörden gelten. Der Rechtsweg würde damit etwas weniger aufwendig und zeitraubend ausfallen.
  • Nutzer sollen an eine unabhängige schweizerische Schlichtungsstelle gelangen können, die von den Plattformen getragen wird. Vergleichbare Einrichtungen bestehen in der Schweiz bereits für Banken und für Telekommunikationsunternehmen.
  • Nutzer sollen Werbung als solche erkennen können. Nutzer sollen ausserdem nachvollziehen können, welche Werbung ihnen aus welchen Gründen angezeigt wird.
  • Nutzer sollen bestimmte Inhalte wie Aufruf zu Hass, Drohungen oder Gewaltdarstellungen auf einfache Weise an die Plattformen melden können. Die Plattformen sollen die Meldungen prüfen und die meldenden Nutzer über das Ergebnis der Prüfung informieren müssen.

Der Widerstand der SVP gegen diese Stossrichtung ist rätselhaft, denn auch Mitglieder, Politiker und Sektionen der SVP sind häufig von willkürlich gelöschten Inhalten und willkürlich gesperrten Nutzerkonten betroffen, zum Beispiel bei Facebook und Instagram.

Wenn kurz vor einer Volksabstimmung oder kurz vor Wahlen bei einer Social Media-Plattform ein Konto gesperrt oder Inhalt gelöscht wird, ist der Schaden im Abstimmungs- oder Wahlkampf nicht mehr wiedergutzumachen.

Ferner zählt die SVP viele Unternehmer als Mitglieder und Sympathisanten. Unternehmen können jederzeit ihr Social Media-Konto verlieren oder online diffamiert werden.

Wenn ein Unternehmen sein Social Media-Konto verliert, kann die wirtschaftliche Existenz gefährdet sein.

Wenn ein Unternehmen nicht wirksam gegen rechtswidrige Bewertungen vorgehen kann, wird die Reputation dauerhaft beschädigt und die Absender der Fake-Bewertungen erhalten einen Freipass für ihre Machenschaften. Das Gleiche gilt für rechtswidrige Inhalte, die bei einer Suche nach ihrer Firma oder ihrem Namen als Suchergebnisse erscheinen.

Pragmatische und zielführende Plattform-Regulierung in der Schweiz

Mit «Zensur» und anderen Schlagworten, die an Äusserungen von Elon Musk und Donald Trump erinnern, hat die Stossrichtung gemäss dem bundesrätlichen Auftrag nichts zu tun.

Die Stossrichtung ist im Gegenteil pragmatisch und zielgerichtet. Die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer sollen ermächtigt werden, ihre Rechte auch gegen Plattformen im Ausland wahrnehmen zu können, so wie sie es gegen Plattformen in der Schweiz könnten, wenn es solche Plattformen gäbe.

Die Stossrichtung sieht auch keine Sperrung von Plattformen vor, wie sie von der grünen Nationalrätin Meret Schneider – in letzter Konsequenz – gefordert wird. Die Stossrichtung fordert denn auch keine Aufsichts- oder Überwachungsbehörden für Plattformen.

Eine Sperrung von Plattformen wäre durchaus möglich, insbesondere über die App Stores von Apple und Google. Eine solche Sperrung wäre aber offensichtlich unverhältnismässig und grundrechtlich nicht zulässig. Der «TikTok Ban» in den USA zeigt deutlich, wie problematisch es wäre, eine Plattform aus politischen Gründen zu sperren.

Amerikanische Kritik an Plattform-Regulierung in Europa

Die längst überfällige Vorlage war zuletzt für Ende Januar 2025 erwartet worden. Nach dem Amtsantritt von Donald Trump scheint der Bundesrat aber keine Kritik aus den USA riskieren zu wollen.

Darauf bezieht sich auch der Bericht in der SonntagsZeitung:

«Die Ansage von J. D. Vance war deutlich. ‹Es bereitet der Trump-Regierung Sorgen, dass andere Staaten planen, die Schrauben gegen amerikanische Techfirmen anzuziehen›, sagte der amerikanische Vizepräsident Anfang Woche am KI-Gipfel in Paris. ‹Amerika wird das nicht akzeptieren. Es ist ein schrecklicher Fehler – für die USA, und auch für die betreffenden Staaten.›»

In der Zwischenzeit droht beispielsweise Meta gegenüber der Europäischen Union (EU) offen mit Donald Trump:

«Meta hat der EU gedroht, dass man US-Präsident Donald Trump ins Feld führen werde, sollte der Facebook-Konzern mögliche Einschränkungen oder Strafen als unfair empfinden. Überhaupt sei die Tech-Regulierung von ‹enormem Nachteil› für Europa. »

Die Plattform-Regulierung in der EU, insbesondere mit dem Digital Services Act (DSA), geht allerdings viel weiter als die Stossrichtung gemäss dem bundesrätlichen Auftrag.

Für Nutzerinnen und Nutzer der grossen Kommunikationsplattformen ist zu hoffen, dass die Schweiz früher oder später doch noch eine Plattform-Regulierung erhält.

Mit einer Plattform-Regulierung gemäss der bundesrätlichen Stossrichtung könnten auch jene Personen und Unternehmen, die nicht bekannt, einflussreich oder vermögend sind, ihre Rechte gegenüber Google, Meta, TikTok und anderen Plattformen wahren. Die mächtigen und wichtigen Plattformen der amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten wären nicht länger in wesentlichen Teilen ein rechtsfreier Raum.

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